zu “Ferndiagnosen schwierig”, LVZ zum Nikolaus

Sehr geehrte Damen und Herren, wir beziehen uns auf den Artikel “Streit um Baumfällungen im Leipziger Auwald geht weiter” von Jörg ter Vehn in der LVZ vom 6.12.19. (Text am Ende)

Wie üblich sind die darin aufgestellten Behauptungen fachlich mindestens einer Diskussion würdig – genau das, was NuKLA bezogen auf die Forstwirtschaft seit 2018 möchte. NuKLA ist zu allererst einmal kein “umstrittener” Verein, wie Herr ter Vehn despektierlich behauptet, sondern als Mitglied der GRÜNEN LIGA Sachsen anerkannter Naturschutzverein! Und zwar der Leipziger Verein, der als einziger für einen angemessenen Schutz der kostbaren alten Baumbestände im Leipziger Auwald (vor Gericht) streitet.

Wenn ein Journalist die Stimme erhebt, Fachleute, die ihm (und den hiesigen Akteuren) mit ihrer Meinung nicht genehm sind, falscher Aussagen zu bezichtigen (hier: “In der Expertise der Externen ist von 24,8 Hektar Fläche für solche Femellöcher über einen Zeitraum von zehn Jahren die Rede. Tatsächlich liegt aber nur ein Teil davon auch im geschützten Auwald”, ter Vehn in o.g. Artikel), dann möge er sich bitte im Vorfeld mit den Primärquellen befassen, um sich nicht mit schlechtem Journalismus komplett zu disqualifizieren. Die Zahl 24,8 ha hat nämlich die Abt. Stadtforsten selbst in dem in ihrem Auftrag angefertigten Papier “Zur FFH-/SPA-Verträglichkeit der aktuellen Forsteinrichtung des städtischen Waldes Leipzig im Leipziger Auensystem/Auwald (Plausibilitätsprüfung*)” (Hellriegel-Institut, 2019, S. 17, Tabelle) benannt: “Lochhiebe auf Femelflächen 17,2 ha im FFH-LRT 9160 und 7,6 ha im FFH-LRT 91F0″. Das sind, aufgegliedert nach Revier Nord und Süd: 17,2 + 7,5 = 24,8 ha! Auf S. 15 dieses Papiers wird in der Tabelle sogar die Zahl 28,3 ha als Maximaleingriff “Lochhiebe auf Femelflächen innerhalb des SAC” (= FFH-Gebiet) aufgeführt. Es sind in diesem Papier zudem auch noch zusätzliche “sonstige Altdurchforstungen” mit einer Größenordnung von bis zu 313,81 ha (!!) innerhalb des FFH-Gebietes als Planung aufgeführt. Welche Zahlen davon sind unverständlich? Der Vorwurf, dass die genannten Zahlen falsch seien, ist eine Lüge, formuliert unter Bezugnahme auf einen Leipziger Wissenschaftler.

Abgesehen von den hier vorgetragenen Zahlen (und deren fatale Bedeutung für die betreffenden Schutzgebiete unseres Auwaldes) ging es den Verfassern des Schreibens an die Leipziger Stadträte, das Herr ter Vehn meinte demontieren zu müssen, um die grundsätzliche Frage, ob Femelung überhaupt in der in Leipzig praktizierten Form eine sinnvolle Unterstützung für einen Wald sein kann. Genau diese Frage bzw. deren Beantwortung ist Inhalt des durch NuKLA initiierten Gerichtsverfahrens.

Das FSC-Siegel wurde nach unserer Kenntnis Leipzig übrigens zeitweise abgesprochen wegen zu dichter Rückegassen. Abgesehen davon, dass dieses Zertifikat für FFH-Gebiete völlig unzureichend ist und von den einen Förstern anderen Förstern zugesprochen wird, beginnt man inzwischen zu ahnen und darüber zu forschen, wie groß die Bedeutung intakten Waldbodens für das Leben der darauf wachsenden Bäume ist, welch sensible Systeme von Mirkoorganismen und Lebensräumen sich unter der Erde in einem Wald befinden, die durch Harvester und Co. komplett zerstört werden.

Es ist richtig, dass lokale Kenntnisse hilfreich sein können. Aber wo kommen diese lokalen Kenntnisse zum Tragen? Es scheint, als hätten die hiesigen Wissenschaftler einen Femelschlag noch nie gesehen – sonst wüsste sie, wie der ehemalige Waldboden nach solch einem Eingriff aussieht – und würden auch die Ahorndickichte der Mittelwaldumwandlungsflächen, die bereits umgesetzt wurden, nicht kennen.

Die im Artikel als einzig kompetent deklarierten “lokalen Kenntnisse” haben auch Nachteile; langjährige Dynamiken z.B. in der AG Stadtwald und im Naturschutzbeirat, vertragliche Abhängigkeiten, persönliche Beziehungen usw. Auch um den wissenschaftlichen Entwicklungen außerhalb Leipzigs Rechnung zu tragen, ist es erforderlich, dass endlich von Außenstehenden fachliche Hinweise und Erkenntnisse in Leipziger Entscheidungen einbezogen werden. Diese Idee hat Herr Prof. Wirth ja offensichtlich in den Ring geworfen mit seiner expliziten Einladung an die außenstehenden Wissenschaftler. Nun sollte entsprechendes Handeln folgen! Und für dieses Prozess haben die Sägen im Auwald zu schweigen!

Mit freundlichen Grüßen, Ihnen einen schönen geruhsamen 2. Advent

NuKLA/GRÜNE LIGA, W. Stoiber

Hier der LVZ Artikeltext:

Streit um Baumfällungen im Leipziger Auwald geht weiter

Waldumbau oder nicht? In der Diskussion um die Pflegemaßnahmen im Leipziger Auwald warnt jetzt die Bundesbürgerinitiative Waldschutz vor den geplanten Maßnahmen. Leipzigs führender Botanik-Professor Christian Wirth steht aber dazu – und hat eine wortgewandte Antwort. Leipzig

Ein Förster im Ruhestand und ein Professor der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde haben sich in einer vierseitigen Erklärung gegen die in Leipzig geplanten Pflegemaßnahmen im Leipziger Auwald ausgesprochen. Über die Bundesbürgerinitiative Waldschutz, die in Sachsen nur den umstrittenen Verein Nukla („Natur und Kunst – Leipziger Auwald“) als Mitglied hat, ging das Schreiben an alle Leipziger Stadtratsfraktionen. Die entscheiden nächste Woche über den diesjährigen Forstwirtschaftsplan. Allerdings enthält die angebliche Expertise der beiden Waldfreunde mehrere Ungereimtheiten und allerlei falsche Zahlen. Leipzigs Botanik-Professor Christian Wirthbittet sie in einer Antwort denn auch, sich erst mal selbst ein Bild vor Ort zu machen.

„Ferndiagnosen schwierig“

„Ferndiagnosen sind aufgrund der starken Kontextabhängigkeiten in der Ökologie immer etwas schwierig“, so Wirth, der seit Jahren im Leipziger Wald forscht und die Maßnahmen der Stadt begleitet. Er lädt die Kritiker ein, an der Forschung teilzunehmen und Daten zu erfassen. „Das würde Ihnen erlauben, die vielen in Ihrer Stellungnahme enthaltenen Hypothesen zum Leipziger Auwald valide zu testen. Das wäre für uns alle sehr interessant und ein Gewinn“, schreibt Wirth, der schon vor Jahren ein Standardwerk über alte Wälder und ihr Wachstum herausgab, aktuell auch dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschungvorsteht.

Lokale Kenntnisse

„Ein Besuch würde Ihnen auch ermöglichen, mit vielen Leipzigerinnen und Leipzigern aus der Naturschutzpraxis, der Forstpraxis und der Wissenschaft zu sprechen, die den Auwald wie die eigene Westentasche kennen“, findet Wirth. Denn tatsächlich ergeben sich selbst bei einer flüchtigen Beschau der Eberswalder Thesen schon einige Fehler.

So warnen die Externen vor allem vor sogenannten Femelschlägen, um auf diesen neu geschaffenen Lichtungen den Eichenbestand mit Pflanzungen erhöhen zu wollen. Das müsse kleinräumig geschehen, sonst entstünden im Wald zu hohe Schäden, meinen sie. Allerdings sind auch nur kleinteilige Auflichtungen im Forstwirtschaftsplan vorgesehen, wie ein Blick in die Unterlagen ergibt. In der Expertise der Externen ist von 24,8 Hektar Fläche für solche Femellöcher über einen Zeitraum von zehn Jahren die Rede. Tatsächlich liegt aber nur ein Teil davon auch im geschützten Auwald.

Rückegassen statt Zerstörung

Schließlich beklagen die beiden Waldfreunde, dass durch den Einsatz der Maschinen der Waldboden großflächig verdichtet werde und nachhaltig Schaden nehme. Dabei wird der Forst in Leipzig seit Jahren nach den Richtlinien des Forest Stewardship Council(FCS) bewirtschaftet, der unter anderem einen schonenden Einsatz vorschreibt und Rückegassen für die Maschinen vorsieht.

Der Verein Nukla hatte auf die Eberswalder erst vor Kurzem zurückgegriffen und deren Thesen in einem Brief an die Stadträte zitiert. Der Verein zahlte zuletzt auch Jugendliche dafür, dass sie bei der jüngsten Fridays-For-Future-Demo mitmachten und für seine Zwecke Protestschilder hochhielten.

Von Jörg ter Vehn

 

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