Leipzig ist überall. Spannungen zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz im Leipziger Auwald

Von Bernd Gerken, Johannes Hansmann und Michael Kleff

NuKLA und das Klageverfahren

Es mag erstaunlich sein, aber die Proteste gegen die massiven forstlichen Eingriffe hielten sich lange Zeit in Grenzen, waren auf Einzelpersonen beschränkt, die dann als Querulanten und emotionsgesteuerte Laien diffamiert wurden – oder kamen von außerhalb. Doch als die Femellöcher immer größer (z.B. in der Nonne) und zahlreicher und auch für normale Bürger deutlich wurde, dass sich auf der Mittelwald-Übungsfläche lediglich monotones Ahorndickicht entwickelte, wurde zunehmender Protest laut. Leipziger Naturschutzverbände verteidigten und legitimierten die Eingriffe weiterhin. Anwohner wurden von ihnen, hiesigen Wissenschaftlern und Stadtforsten in regelrechten Schulungen belehrt, wie wichtig diese forstlichen Maßnahmen seien. Seitens der Forstverwaltung wurde verlautbart, dass man wegen der Arbeitssicherheit nicht ohne Forwarder und Harvester arbeiten könne. Zudem seien die Fahrspuren der Harvester, wenn sie im Frühjahr mit Wasser gefüllt seien, Laichhabitate für Frösche (die Verfasser haben solches im Auwald noch nie beobachtet).

Der Auwald würde ohne forstliche Eingriffe vergreisen, zuwachsen, zu dunkel werden, die Artenvielfalt dramatisch zurückgehen. Auch die Pflicht zur Wegesicherung musste als rechtliches (Schein-)Argument herhalten. Überhaupt hätten die Menschen schon seit der Eiszeit stark in diesen Wald eingegriffen, er sei ja kein Urwald, und wenn es hier Artenvielfalt gäbe, dann doch nur wegen der Förster! Man sei mit Unterstützung der Verbände bestrebt,……….

……..Verbände sind bereits jetzt vorgeschrieben, wurden in Leipzig jedoch nie realisiert. Es geht bei der Klage von NuKLA also um alle Wälder in FFH-Gebieten Europas: Überall ist Leipzig!

Gegen Sachsenforst, die im FFH-Gebiet verheerend ihrer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft frönten, stellte NuKLA im Jahr 2019 zwei Strafanträge wegen erheblicher Beeinträchtigungen europäisch geschützter Lebensräume und Arten. Hier hatten die Kettensägen selbst vor 300-jährigen Stieleichen nicht Halt gemacht. Der Strafantrag für das Stadtgebiet Leipzig wurde zunächst abgelehnt. Nach einer Beschwerde bei der Oberstaatsanwaltschaft wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Womit sich leider wieder zeigt: Nur mit entsprechender Hartnäckigkeit kann dem Naturschutz zu seinem Recht verholfen werden!

Forderungen

NuKLA fordert eine ökologische und naturverträgliche Waldbehandlung im FFH-Gebiet Leipziger Auensystem, statt einer für den Naturhaushalt unverträglichen Intensivforstwirtschaft. Diese Waldbehandlung muss nicht durch Forstverwaltungen erfolgen,…

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ZurAusgangssituation

Der Leipziger Auwald ist einer der größten noch erhaltenen Auwälder Mitteleuropas. Durch Wasserbaumaßnahmen sind die ihn durchströmenden Flüsse (Weiße Elster, Pleiße, Luppe u.v.m.) aber momentan (noch) begradigt und reguliert. Daher gibt es seit Anfang des 20. Jh. keine nennenswerte Flussdynamik mehr, die aber für ein Auensystem prägend wäre. Kleinere Nebenflüsse, Senken und Fließe sind im Laufe der Zeit ausgetrocknet. Der Baumbestand reagiert durch eine Verschiebung der Artenzusammensetzung. So wachsen inzwischen vermehrt Baumarten nach, die auch mit trockenen Standorten zurechtkommen. Arten, die Überflutungen vertragen und sogar von ihnen profitieren, verjüngen sich zwar, werden aber auf Dauer von den schneller wachsenden, auenuntypischen Baumarten verdrängt.

Es ist nicht zuletzt mit Blick auf die Rückgewinnung von Retentionsräumen an der Zeit, das Wasserbaukonzept des 19. und 20. Jh. zu überdenken und die Flüsse wieder zu revitalisieren. Aber bis auf leere Wortbekundungen, Diskussionen, Symposien und Tonnen bedruckten Papiers ist keine Änderung in Sicht. Stattdessen haben die Forstämter seit ca. 2005 begonnen, die Auwälder im FFH-Gebiet Leipziger Auensystem mit schwerer, harter Technik forstlich umzugestalten. Dabei ist ein Teilziel die Förderung der Stieleiche.

Ähnlich sieht die Situation in anderen rezenten Auwaldgebieten Ostdeutschlands aus: Leipzig ist also überall! Dabei stehen die Auwälder und ihre stetige Verschlimmbesserung durch die Forstwirtschaft nur als ein besonders krasses Beispiel für ökologische Hilflosigkeit.

Der Leipziger Auwald – Entstehung und Bewirtschaftungshistorie

Entsprechend seiner hohen ökologischen Wertigkeit ist der Leipziger Auwald als FFH-Gebiet, europäisches Vogelschutzgebiet (SPA), LSG und in Teilbereichen als NSG unter Schutz gestellt. Zur Wichtigkeit des Schutzes der Auwälder zitieren wir das Bundesamt für Naturschutz zur Lebensgemeinschaft Hartholzaue: „In weiten Teilen Mitteleuropas sind diese Auenwälder stark gefährdet, auch wenn sie nicht als prioritär gelistet sind. Zur Entwicklung und Wiederherstellung dieser Wälder ist eine natürliche Überflutungsdynamik anzustreben. Eine forstliche Nutzung der wenigen Restbestände sollte möglichst unterbleiben.“1

Dieser letzte Satz hat sich in den Forstbehörden offenbar noch nicht herumgesprochen! Die Autoren sind jedoch der Auffassung, dass nach Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes eine sensible und naturverträgliche Forstwirtschaft durchaus möglich wäre. Diese müsste natürlich die Flussdynamik mit den auentypisch zeitweilig nassen und wieder abtrocknenden Flächen berücksichtigen.

So scheiden moderne, schwere Maschinen (Harvester, Forwarder) aus, die zusätzlich zu anderen Schäden auch zu gravierenden Bodenverdichtungen führen. Bereits in früheren Jahrhunderten gab es beim „Holzmachen“ Probleme, das Holz aus dem Wald zubekommen. Die Winter waren in der Leipziger Tieflandsbucht oft sehr mild und nass, der Klimawandel macht es nun zusätzlich schier unmöglich, ohne Bodenschädigungen mit schweren Maschinen zu arbeiten. Es muss hier betont werden, dass Forstwirtschaft generell für den Erhalt oder die Wiederentstehung eines Auen-Ökosystems nicht notwendig ist: Sie ist zu keiner Zeit die Quelle der Artenvielfalt einer Aue gewesen. Entscheidend für die hohe Biodiversität in Auen ist der auentypische Wasserhaushalt!

So selten Auwälder geworden sind, so einzigartig ist ihr Artenreichtum. Er kommt durch die Vielfalt der Lebensräume zustande, die immer wieder durch eine natürliche Flussdynamik neu geschaffen und verändert werden. Die Flüsse bilden Habitate für alles, was in und am Wasser lebt. Durch Überflutungen entsteht die auentypische Vielfalt des Lebensraum-Mosaiks: temporär mit Wasser gefüllte Senken, Altarme, und selbst kleine Sondervorkommen mit Moor- oder Bruchwaldcharakter gehören dazu. Dem fließenden Wasser am nächsten siedelt die Lebensgemeinschaft der Weichholzaue, daran schließt die Hartholzaue als seltener überflutete Lebensgemeinschaft an. Intakte Flüsse lagern Sedimente um. Nach jedem Hochwasser sind veränderte oder neue Steilufer und Sandbänke zu finden und es kommen stellenweise Rohböden zum Vorschein. Dieses bewegte Sediment im Verbund mit periodischen, langsam flächig ziehenden Überflutungen bietet beste Voraussetzungen für die natürliche Etablierung der Stieleiche. An anderen Auenstandorten wurde dies ausgiebig erforscht2 3.

Weiterhin sorgen in Auen charakteristische Tierarten für Dynamik. Biber sind bekannt als prägende Gestalter in Auen. Sie schaffen durch ihre Bauwerke eine Vielzahl von Habitaten und sind Schlüsselart der Biodiversität4. Auen waren zudem schon immer Anziehungspunkt für große Weidetiere. Die einst bei uns heimischen Arten Wisent, Auerochse, Elch und Wildpferd dürften als Teil der Lebensgemeinschaft Aue einen großen Einfluss gehabt haben. Später, unter der Ägide der Menschen, übernahmen kultivierte Weidetiere diese Schlüsselrolle. Es ist europaweit belegt, dass Waldweide in mitteleuropäischen Wäldern jahrhundertelang gestaltend wirkte. Auch in den mitteldeutschen Auwäldern an der Elbe und im Leipziger Auwald ist Waldweide teilweise bis ins 19. Jh. nachweisbar und bis heute an einer Vielzahl von Hude-Eichen noch immer leicht erkennbar. Die hohe Artenvielfalt in Hudewäldern ist erwiesen5. In Mitteldeutschland meint man aber seitens des Forstes die Artenvielfalt mit Motorsägen, Harvestern und Forwardern erhalten zu können.

Natürlich holen sich Menschen schon seit vielen Jahrhunderten Holz aus den Auwäldern. Eine ordnungsgemäße Forstwirtschaft im heutigen Sinne hat in Leipzig aber erst ab dem 19. Jh. richtig Fuß gefasst. Vorher überwog die kleinbäuerliche Bewirtschaftung des Waldes mit einer Vielzahl von Nutzungsarten, die durch Forstbeamte nachweislich bis in das 19. Jh. hinein geregelt wurde. Zudem hat in Leipzig der Rat der Stadt seit Jahrhunderten regelmäßig Holz schlagen lassen, und es gibt seit dem 16. Jh. eine Vielzahl von Dokumenten, die die Bemühungen zeigen, die Vielfalt der Nutzungen zu organisieren. Die Dokumente lassen erahnen, dass diese Bemühungen vor dem 19. Jh. nie dauerhaft von Erfolg geprägt waren! Bei zu nassen und warmen Wintern war stellenweise oft gar kein Holzeinschlag möglich, aber auch nach Kriegen wurde allenthalben geklagt, dass es keine ordentliche, geregelte Waldnutzung gab. Der Wald muss als Ergebnis dieses Mosaiks aus Nutzungsformen und noch existenter Auendynamik zeitweise sehr licht gewesen sein, an Stellen mit intensiver Beweidung oder Vernässung vielleicht auch nicht einmal mehr waldartig ausgesehen haben. In allen Phasen bildeten die Flüsse die konstante ökosystemare Wirkgröße. Es gibt alte Fotografien und Schriftquellen, aus denen man schließen kann, dass es weitaus mehr Weiden gab, ein Hinweis, dass es mehr lichte Weichholzaue gegeben haben muss, von der heute nur noch Restbestände übriggeblieben sind. Gleichzeitig weisen bestimmte Flurnamen wie Verschlossenes Holz auf Waldgebiete hin, die auf Inseln von Wasser umflossen waren, so dass der menschliche Zugriff nur in trockenen Jahren möglich war.

Nach mehreren Anläufen fand ab dem 19. Jh. die Forstwirtschaft auf großer Fläche Einzug im Leipziger Auwald. Wie auch andernorts fanden die Förster und Forstwissenschaftler einen lichten und strukturreichen Auwald vor. Er war entstanden aus der Dynamik der Flüsse, den vielseitigen bäuerlichen Nutzungen und einer mittelwaldähnlichen Bewirtschaftungsform des Leipziger Rates, welche aber aufgrund der hydrologischen Besonderheiten nicht einmal ansatzweise flächendeckend erfolgen konnte. Besonders die stadtnahen und trockeneren Bereiche wurden jedoch stets stark genutzt und sind heute z.T. in Parks übergegangen.

Erfreut – wie überall in Deutschland – nahmen die Förster und Forstwissenschaftler des 19. Jh. die Gelegenheit wahr, die agrarisch geprägte Waldnutzung neu zu ordnen. Im Leipziger Auwald hieß das, die eher ungeregelte Mittelwaldwirtschaft nach den Regeln forstwissenschaftlicher Kunst der Zeit einem strengeren Reglement zu unterwerfen und die bäuerlichen Nutzungen zurückzudrängen. Erste Bestrebungen dazu gab es ab 1800, die aber durch die Befreiungskriege frühestens ab 1814 zur Ausführung kamen. Allerdings fand die Umstellung auf diese vermeintlich geordnete Forstwirtschaft keine Gegenliebe in der Bevölkerung. Viele Dörfer hielten darum noch lange an ihren althergebrachten Nutzungen fest. Bei Lange ist sogar von Protesten zu lesen, wenn die forstlichen Maßnahmen zu heftig vollzogen worden: „Bereits in der Mittelwaldwirtschaft war es zu Protesten gekommen, wenn die Forstverwaltung zur Beseitigung des sich häufenden anbrüchigen Materials einmal stärkere Eingriffe in die Bestände vornahm.“6

Ab 1870 wurde der Auwald als Hochwald mit Kleinkahlschlägen bewirtschaftet. Das Heizen mit Kohle verdrängte das Brennholz, und es sollte Bauholz für die rasant wachsende Stadt produziert werden. Allerdings fand diese neue Bewirtschaftungsform keinen Anklang bei der Bevölkerung. Angesichts der Kahlschläge protestierten die Bürger heftig. Eine jahrzehntelange Auseinandersetzung begann, in der man allerlei forstliche Experimente diskutierte. Um 1900 war die Forstwirtschaft unrentabel geworden. Der Holzeinschlag wurde wegen der Proteste gedrosselt. Die Waldgebiete Rosental und Nonne wurden der Gartenbauverwaltung unterstellt und parkartig bewirtschaftet. Dennoch hielten die bürgerlichen Proteste bis in die 20er Jahre an. Einem Kompromiss der 30er Jahre zufolge wurden von da an die Burgaue und das Connewitzer Holz v.a. in Stadtnähe parkartig bewirtschaftet. In diesen Bereichen sind heute, 100 Jahre später, zahlreiche Vorkommen des Eremiten (Osmoderma eremita), einer Art alter naturnaher Wälder, belegt – sicher kein Zufall! Nach dem 2. Weltkrieg gab es weitere Eingriffe für die Brennholz-Versorgung. Die entstandenen Kahlschläge wurden mit Ahorn, Eschen, später auch Pappeln aufgeforstet. Zudem gab es massive Eingriffe im Umfeld der Braunkohletagebaue und Wasserbaumaßnahmen im Süden von Leipzig, für die große Bereiche des Auwaldes vernichtet wurden.

1952 verlor die Stadt ihre Zuständigkeit, und der Auwald wurde ab dann staatlicherseits bewirtschaftet. Erst 1990 erlangte die Stadt ihren althergebrachten Besitz zurück. Für den alten neuen Besitz wurde im Grünflächenamt die Abteilung Stadtforsten gegründet. Inzwischen hatte der Auwald begonnen, sich auf die neuen Umweltbedingungen (das Fehlen jeglicher Flussdynamik) einzustellen. In den parkartig bewirtschafteten Waldbereichen fand und findet sich jedoch bis heute ein beachtlicher Altbaumbestand; an Aufwuchs sind v.a. trockenere Standorte bevorzugende Ahornarten zu finden. Direkt nach der Wende, in den 90er Jahren, wurde die Forderung nach der Revitalisierung der Flüsse laut, es gab Bücher, Symposien und Vorträge. Doch bis auf Wortbekundungen passierte bis heute – nichts. Statt dessen reifte ab 2000 auf Seiten von Stadtforsten der Plan, mit forstlichen Mitteln für Eichenverjüngung zu sorgen.

Die paradoxe Gegenwart: Forstlicher Umbau und seine ökologischen Folgen für den Auwald

Zweifellos sind Stieleichen wertvolle Habitatbäume für zahlreiche Arten. Schon seit Jahrhunderten haben Menschen im Leipziger Auwald je nach Bedürfnis bestimmte Baumarten gefördert. So ist bspw. für Leipzig überliefert, dass man an geeigneter Stelle in und um Leipzig schon im 15. Jh. Weiden gesteckt hat. Ebenso wurden Bäume gepflanzt, die man an anderer Stelle der Naturverjüngung entnommen hatte – man nannte dies das „Setzen wilder Bäume“7. Prinzipiell ist es möglich, in einem Auwald einzugreifen, entscheidend ist das Wie! Eingriffe müssen verträglich für die Waldlebensgemeinschaften sein, gerade in den europaweit extrem selten gewordenen Auwäldern, und die Wiederherstellung der standorttypischen hydrologischen Verhältnisse hat oberste Priorität! Das gilt gerade auch mit Blick auf die übergeordnete Notwendigkeit zur Wiederherstellung von Retentionsräumen längs unserer Flüsse.

Um das Jahr 2000 begannen die Forstbehörden zunächst, in jüngere Bestände von Schwarzpappel-Hybriden einzugreifen, die vom Pappelrindentod befallen waren. Ab 2005 stieg dann die Anzahl der Eingriffe an, die meisten davon flächenmäßig relativ klein. Im Winter 2007/08 begann Stadtforsten mit einer sog. Mittelwaldrückführung auf einer Fläche von 13,5 ha. Für dieses Experiment hatte man sich ausgerechnet einen der wertvollsten Hartholzauwaldbereiche im FFH-Gebiet überhaupt im Waldgebiet Burgaue ausgesucht, der sich durch einen besonders hohen Anteil an Starkbäumen und einem relativ hohen Totholzanteil auszeichnet und deshalb auch mit einem guten Erhaltungszustand im Sinne von FFH bewertet wurde. Mittelwaldähnliche Strukturen oder typische Mittelwaldeichen sucht man dort allerdings vergeblich, so dass bereits die Ausgangsidee als verfehlt bezeichnet werden muss! Die Mittelwaldumwandlung wird seitdem kontinuierlich auf Teilflächen scheibchenweise weitergeführt, sodass bislang etwa die Hälfte umgesetzt wurde. Diese Maßnahmen erfolgten sämtlich mit harter Technik; zunächst wurde gerodet, nur einzelne Überhälter blieben stehen und Baumschulsetzlinge wurden gepflanzt. Die vorher geschlossene Waldstruktur wurde damit komplett aufgelöst, der Waldboden wird geschädigt. Die belassenen Bäume werden durch die plötzlichen Freistellungen in ihrer Vitalität massiv beeinträchtigt und bei Stürmen, die im Zuge des Klimawandels an Häufigkeit und Stärke deutlich zunehmen dürften, schwer beschädigt oder ganz umgeworfen.

Auf den bereits umgewandelten Flächen wird das ökologische Desaster dieser Maßnahme immer deutlicher, was auch zu vermehrten Bürgerprotesten führt. Die nicht gefällten Altbäume bilden Wasserreiser aus, zeigen auffällige Kronenverlichtungen, und im Unterwuchs bildet sich ein monotones, artenarmes Ahorndickicht – kein Wunder angesichts der fehlenden Auendynamik und der gravierenden Bodenschädigungen. Die Eingriffsintensität der Mittelwaldumwandlung kann man anhand der Angaben im aktuellen Forstwirtschaftsplan 2019 gut nachvollziehen. Auf der aktuellen Umwandlungsteilfläche sollen auf einer Fläche von 1,1 ha insgesamt 350 Erntefestmeter (Efm) Holz eingeschlagen werden, was schon rechnerisch einem Kahlschlag entspräche, denn der gegenwärtige, stehende Vorrat je ha beträgt nur etwa 400 Vorratsfestmeter (=320 Efm).

Geradezu grotesk erscheinen die Behauptungen, dass diese Umwandlungen für Zielarten des FFH-Gebietes wie Eremit oder Mopsfledermaus förderlich sein sollen. Es ist eher zu vermuten, dass durch die massiven Verluste an Altbäumen Lebensstätten dieser Arten zerstört wurden. Erstaunlicherweise halten aber fast alle Naturschutzvereine vor Ort dem Forst weiterhin die Stange und propagieren die Maßnahme als geeignet zur Förderung der Biodiversität. Auch die regelmäßig von Stadtforsten beauftragten Büros und Wissenschaftler universitärer Einrichtungen unterstützen die Maßnahme zumeist. Man kann nur vermuten, dass die durch den starken Eingriff (=Impuls) sich spontan einstellende Artenvielfalt sichtbarer, mobiler Arten für diese Fehleinschätzung ursächlich ist. Sie entspricht allerdings nicht den Zielen des anerkannten Waldartenschutzes, der auf die Ausreifung von Waldstrukturen setzt anstelle des forstlichen Staccatos mit seiner künstlich ausgelösten Dynamik.

Der vorgebliche fachliche Grundpfeiler aller forstlichen Tätigkeiten seitens Stadtforsten (zuständig im Stadtgebiet) und Sachsenforst (zuständig außerhalb des Stadtgebiets) ist die angebliche Femelung – oder besser das, was man in Sachsen darunter versteht. Bei der Anlage von Femellöchern – typischer Weise erfolgen diese innerhalb europäisch geschützter FFH-Lebensraumtypen! – werden auf einer Fläche zunächst alle oder fast alle Bäume gefällt, also Löcherhiebe durchgeführt, und diese anschließend mit wurzelgekappten Pflanzen aus Forstbaumschulen dicht aufgeforstet. Zahlreiche reale wie potentielle Habitatbäume geschützter Arten gehen dabei verloren. Durch den Einsatz harter Technik, die folgende Vollbesonnung usw. wird der Boden massiv geschädigt. Abgesehen von der Problematik, dass durch den Klimawandel mit zunehmenden Hitzeperioden und Dürren solche plantagen-artigen Aufforstungen das 21. Jh. nicht überstehen dürften, können so bestenfalls artenarme und monotone Altersklassenreinbestände in wechselndem Mosaik mit Althölzern aufwachsen. Mit der Förderung artenreicher Waldökosysteme hat das genauso wenig zu tun, wie mit dem Femelschlagverfahren süddeutscher Prägung!

Während die Stadtforsten in die vermeintlichen Femellöcher i.d.R. Stieleichen pflanzen, geht Sachsenforst einen Schritt weiter. Nach der Rodung europäisch geschützter Waldgesellschaften werden teilweise sogar fremdländische und auenuntypische Arten wie Schwarznuss, Elsbeere, Esskastanie und Roteiche eingebracht.

Ein besonders trauriges Beispiel für ein solches Femelloch findet man im Waldgebiet Nonne. Die Größe eines 2016/2017 angelegten Femellochs beträgt ca. 0,9 ha, also nach bioklimatischer Definition ein respektabler Kahlschlag, der das Edaphon des Bodens auf lange Zeit zerstört! Es wurde seitens Stadtforsten argumentiert, dass hier die Auswirkungen des Eschentriebsterbens besonders stark waren, und man daher meinte, besonders viele Eschen fällen zu müssen. Dass man den Patient Esche nicht heilen kann, indem man möglichst viele befallene Bäume fällt also vorauseilend ganz eliminiert, dürfte jedem verständlich sein. Das Gegenteil wäre richtig! Aus waldökologischer Sicht ist es wichtig, besonders behutsam mit den kranken Eschenbeständen umzugehen, damit sich Resistenzen in intakten und geschlossenen Waldstrukturen herausbilden können. Das ist übrigens die herrschende auch in der Forstwissenschaft vertretene Auffassung! Nicht zuletzt wurden zahlreiche andere Bäume unterschiedlicher Arten gleich miteliminiert.

Trotz alldem werden Kahlschläge weiterhin als „für den Naturschutz notwendig“ beworben, leider auch durch fast alle Leipziger Naturschutzvereine: das künstliche Pflanzen von Eichen gilt ihnen als sicherer Garant für die Artenvielfalt einer Aue. Erinnern wir uns: die Artenvielfalt einer Aue entsteht durch viele Faktoren, und an erster Stelle ist stets die Dynamik der Flüsse zu nennen. Eine Aue in all ihrer Artenvielfalt ist weder mit Motorsägen noch mit Harvestern herstellbar. Eichen können ihren hohen Wert für die Biodiversität nur im Kontext intakter Waldökosysteme und ab einem Alter von mindestens 150 bis 200 Jahren entfalten! Naturschutz gelingt in Auenwäldern niemals mit invasiven Eingriffen, es braucht dynamisches, auentypisch bewegtes Wasser – den Rest erledigt die Natur selbst!

Diese Kleinkahlschläge werden tatsächlich als für den Naturschutz notwendig propagiert, was sogar von einigen, in Leipzig tätigen Naturschutzvereinen begrüßt wird, da ja – man höre und staune – Eichen gepflanzt würden. Eichen werden in verbreiteter Unkenntnis intakter Auen als Garant für deren spezifische Artenvielfalt angesehen. Es vereinigt sich also forstlicher Aktionismus mit dem guten Willen manches Naturschützers – mit allerdings einem gravierenden Schönheitsfehler: Beide wissen nicht, worum es geht. Wir haben im Osten Deutschlands anders als im Westen nur noch sehr kleine Vorkommen von echten Auwäldern, die als Vorbild oder Lernobjekt dienen könnten. Wie also lebende, sich stets variierende und Flussaktive Auwälder funktionieren, können deswegen selbst Naturschützer kaum richtig einschätzen. Dieser mangelnde Kenntnisstand eines Nichts-genaues-weiß-man-nicht ist auf Seiten des natürlich stets gutwilligen Naturschutzes auch in Leipzig vorhanden. Das macht es den Forstbehörden leicht, ihren an Nutzung orientierten Aktionismus der Öffentlichkeit als ökologische Wohltat zu verkaufen.

Erinnern wir uns deswegen nach Art des Nürnberger Trichters: Die Artenvielfalt einer Aue entsteht durch viele Faktoren aber immer nur unter der Vorbedingung der Flussdynamik und ihrer Wirkung auf eine sich von Natur aus einstellende, spezifische Gehölzvegetation. Mit anderen Worten, Hochwasserprobleme und das Verschwinden unserer Auen stehen in einem kausalen Zusammenhang – eine in jüngster Zeit bittere Erfahrung vieler Flussanwohner der Elbe und ihrer Nebenflüsse. Eine Aue mit ihrer Artenvielfalt ist darum weder mit Motorsäge noch mit Harvester künstlich konstruierbar. Und Eichen können ihren hohen Wert für die Biodiversität nur im Kontext intakter Waldökosysteme entfachen! Und an die Adresse politischer Entscheider, die sich in naher Klimazukunft immer öfter mit Fragen des Hochwasserschutzpolitik befassen müssen, sei gesagt: Naturschutz gelingt in Auenwäldern niemals mithilfe der Motorsäge, es braucht dynamische, auentypisch bewegte Fließgewässer und ihre Retentionsräume – den Rest macht die Natur am besten von ganz alleine! Wenn sie das verstehen lernten, schlügen sie gleich viele Fliegen mit einer Klappe: An erster Stelle Hochwasserschutz und Artenschutz. Aber nicht zu vergessen, die erhebliche Verbesserung der biologischen Reinigungskraft unserer Fließgewässer, ihre positive Wirkung auf den Grundwasserkörper und nicht zuletzt die unvergleichliche Attraktivität von Auwäldern für die Naherholung und die Umweltbildung – und das alles fast für umsonst!

NuKLA und das Klageverfahren

Es mag erstaunlich sein, aber die Proteste gegen die massiven forstlichen Eingriffe hielten sich lange Zeit in Grenzen, waren auf Einzelpersonen beschränkt, die dann als Querulanten und emotionsgesteuerte Laien diffamiert wurden – oder kamen von außerhalb. Doch als die Femellöcher immer größer (z.B. in der Nonne) und zahlreicher und auch für normale Bürger deutlich wurde, dass sich auf der Mittelwald-Übungsfläche lediglich monotones Ahorndickicht entwickelte, wurde zunehmender Protest laut. Leipziger Naturschutzverbände verteidigten und legitimierten die Eingriffe weiterhin. Anwohner wurden von ihnen, hiesigen Wissenschaftlern und Stadtforsten in regelrechten Schulungen belehrt, wie wichtig diese forstlichen Maßnahmen seien. Seitens der Forstverwaltung wurde verlautbart, dass man wegen der Arbeitssicherheit nicht ohne Forwarder und Harvester arbeiten könne. Zudem seien die Fahrspuren der Harvester, wenn sie im Frühjahr mit Wasser gefüllt seien, Laichhabitate für Frösche (die Verfasser haben solches im Auwald noch nie beobachtet). Der Auwald würde ohne forstliche Eingriffe vergreisen, zuwachsen, zu dunkel werden, die Artenvielfalt dramatisch zurückgehen. Auch die Pflicht zur Wegesicherung musste als rechtliches (Schein-)Argument herhalten. Überhaupt hätten die Menschen schon seit der Eiszeit stark in diesen Wald eingegriffen, er sei ja kein Urwald, und wenn es hier Artenvielfalt gäbe, dann doch nur wegen der Förster! Man sei mit Unterstützung der Verbände bestrebt, Habitatbäume zu erhalten, aber natürlich müsse der Förster vor Ort entscheiden. Es würden ja dann kleine Eichen gepflanzt, Bäume, die unzweifelhaft wesentlich für die Artenvielfalt in einer Aue seien. Real bedeutet dieses Vorgehen jedoch mindestens 150 Jahre Habitatausfall.

Die Stadt Leipzig hat diverse naturschutzfachliche Gutachten in Auftrag gegeben – an Auftragnehmer, die nachvollziehbar bestrebt sind, Folgeaufträge zu bekommen (wer beißt schon die Hand, die ihn füttert?). Bei genauerem Studium dieser wissenschaftlichen Gutachten tauchen Widersprüche auf, sind Aussagen nicht eindeutig und entsprechen mitunter auch nicht den methodischen Standards. So entstand der Managementplan für das FFH-Gebiet unter maßgeblicher Mitwirkung der Forstbehörden, welche das Kunststück vollbrachten, dort v.a. ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen einzubringen und ihre bisherige forstliche Praxis zu legitimieren! Jüngste Gutachten zur angeblichen FFH-Verträglichkeit der sog. Forsteinrichtung und des Forstwirtschaftsplans der Stadt Leipzig missachten aufs Gröbste die fachlichen Standards des Bundesamtes für Naturschutz.

Trotz aller Regulierungsbauwerke entlang der Flüsse gibt es auch in Leipzig alle paar Jahre Hochwasser. Den Auwald erreichen diese allerdings nicht, sie werden über ein System von Flutrinnen direkt an ihm vorbei geleitet und von ihm weggehalten! Im FFH-Managementplan steht seit Jahren die gegenteilige Forderung. Die für den Hochwasserschutz zuständige Landestalsperrenverwaltung setzt aber weiter ihren rein technischen Hochwasserschutz um – wogegen die Stadt Leipzig keine Einwände hat. Flussregulierungsbauwerke werden 1:1 mit Millionensummen saniert, neu gebaut, Deiche verbreitert und erhöht. Dringend notwendige Ansätze, das altmodische, technokratische Hochwasserschutzkonzept grundlegend zu überdenken, versanden also auch weiterhin. Flussabwärts steigert das bei Hochwasser nicht unbedingt die Freude der Anwohner; dort ist aber nicht mehr Sachsen. Die Stadt Halle hat hierzu nasse Erfahrungen gesammelt.8

Auch im Winter 2011 verhielt es sich so: Das Hochwasser wurde am Auwald vorbei geleitet, ein Katastrophenszenario heraufbeschworen. Dabei hatte sich lediglich ein Deich mitten im FFH-Gebiet abgesenkt. Der Wald dahinter hätte einen Deichbruch im Dienste der Auwaldökologie leicht verkraftet. Auf Antrag der LTV kam es danach zu einer beispiellos schnellen und umfassenden Entfernung zahlreicher Altbäume entlang der Leipziger Flüsse.9 Es gab für diese radikalen Rodungen nie eine Verbandsbeteiligung. Der derzeit amtierende Ministerpräsident Kretschmer äußerte jüngst sogar, man wünsche sich in Sachsen ein Verbot des Verbandsklagerechtes, weil dies wichtige Bauprojekte störe.10

Unter dem Eindruck dieser Geschehnisse gründete sich im Oktober 2011 der Verein Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald (NuKLA e.V.). Ziel war es zunächst, mit Konzerten Spenden zu sammeln und damit Naturschutzprojekte im Leipziger Auwald zu unterstützen. Man war sich gewiss, damit bei Stadt und Verbänden auf breite Zustimmung zu treffen. Schnell geriet das Thema der geplanten wassertouristischen Nutzung der kleinen Leipziger Fließgewässer und der schleichenden ökologischen Entwertung des Auwaldes als Folge des seit 100 Jahren fehlenden Wassers in den Fokus der Aktivitäten NuKLAs. Kooperationen wurden initiiert, das AULA-Projekt, Arbeitsgemeinschaft UNESCO-Bewerbung für den Leipziger Auwald und Umgebung, entstand. Die Idee war, dem Auwald einen besseren Schutz angedeihen zu lassen. Später wurde das Ziel neu gesetzt: eine länderübergreifende Renaturierung und Schutz aller Auenlandschaften entlang der Weißen Elster mit dem Leipziger Auwald als Nukleus und Modell für einen zukunftsweisenden ökologischen Hochwasserschutz.

Die grundsätzliche Kritik am „Wassertouristischen Nutzungskonzept“ der Stadt Leipzig war und ist wichtiges Betätigungsfeld von NuKLA. Erklärtes Ziel kommunaler Politik ist es, die Bergbaufolgelandschaften um Leipzig für Massentourismus in Wert zu setzen, damit Touristen per (Motor-)Boot von Hamburg bis in die Tagebauseen im Süden Leipzigs gelangen können. Dafür sind massive Bauvorhaben an den Fließgewässern geplant.

2013 gerieten forstliche Maßnahmen in den Fokus von NuKLA. Mittelwaldumwandlung, Femelungen und drastische Altdurchforstungen wurden kritisiert, während andere Naturschutzverbände schwiegen bzw. die Forstverwaltungen unterstützten. Zum besonders wertvollen, durch Bootsmassentourismus gefährdeten Batschke-Floßgraben erschienen zwei selbstproduzierte Filme, die auch in Leipziger Kinos liefen. Die Citytagungen, jährliche Auenökologiesymposien seit 2017, Exkursionen, Vorträge, Petitionen sowie die kritische Begleitung des Projektes Lebendige Luppe führten zu quantitativen und qualitativen Veränderungen der Vereinsarbeit. Die Kritik an der Forstwirtschaft mündete in die derzeit beim Oberverwaltungsgericht anhängige Klage NuKLAs gegen den Forstwirtschaftsplan 2017/18 der Stadt Leipzig und eine Strafanzeige gegen den sächsischen Staatsforst.

Der Vereinsvorsitzende Wolfgang Stoiber erhielt 2017 den Wolfgang-Staab-Naturschutzpreis. Eine wertvolle und wichtige Kooperation entstand mit Prof. Dr. Bernd Gerken, Chemiker, Forstzoologe, Ökologe und Naturschützer, inzwischen ergänzt um Kontakte zu maßgeblichen Vertretern aus der ökologischen Forstwirtschaft. Das NuKLA Aueninstitut für Lebendige Flüsse wurde gegründet. Das Kontaktnetz mit renommierten Wissenschaftlern wie Prof. P. Ibisch (u.a. Einzelsachverständiger im Deutschen Bundestag) und Prof. M. Succhow (Träger des alternativen Nobelpreises) wächst. Auch Deutschlands bekanntester Förster, Film- und Buchautor Peter Wohlleben unterstützt NuKLAs Arbeit. NuKLA ist als einziger sächsischer Verein Mitglied der BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS). Aus dem überregionalem Austausch wird immer offensichtlicher, dass trotz aller Einzigartigkeit der lokalen Wälder die Probleme mit der modernen Forstwirtschaft überregional und ein globales Thema sind: Leipzig ist überall, überall ist Leipzig.

Durch die Stadt Leipzig durchgeführte Monitorings im Leipziger Auwald werden z.T. äußerst mangelhaft durchgeführt: 2019 wurden von einem der Autoren Brutbäume des streng geschützten Eremiten (Osmoderma eremita) in einem Auwaldbereich entdeckt, wo diese Art jahrzehntelang nicht nachgewiesen wurde – obwohl angeblich auch dieser Teil des Auwaldes seit Jahren bestens untersucht sei. Seitdem wurden im Auwald fast überall Brutbäume des Eremiten gefunden, der demnach nahezu flächendeckend im Leipziger Auwald vorkommt und hier somit ein deutsches Schwerpunkt-Vorkommen hat! Bezüglich der Zielart Mopsfledermaus wird auch immer deutlicher, dass hierzu massive Kenntnislücken vorliegen. Es stellt sich also die Frage: Was wissen wir noch alles nicht über die Verbreitung bedrohter und streng geschützter Arten im Leipziger Auwald?

NuKLA ist seit 2015 Mitglied der GRÜNEN LIGA Sachsen. Damit konnte 2018 nach vielen vergeblichen Versuchen NuKLAs, mit der Stadt dazu ins Gespräch zu kommen, die letzte Möglichkeit ergriffen werden, weitere Zerstörung im FFH- und Naturschutzgebiet zu verhindern, indem vom Klagerecht Gebrauch gemacht wurde. Seitdem ruht die Kettensäge im Auwald.

Das Klageverfahren läuft gegen die Stadt Leipzig und ihren Forstwirtschaftsplan 2018. Nachdem das Verwaltungsgericht Leipzig die Klage abgewiesen hat, ist sie nun beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen anhängig, das Urteil hier steht noch aus (Stand 17.04.2020). Was sicher nicht vielen bewusst ist: Das Ergebnis dieser Klage wird von großer Bedeutung sein, denn es geht im Kern um die Klärung, ob und in welcher Form forstwirtschaftliche Maßnahmen in einem FFH-Gebiet zulässig sind. Eine FFH- und Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Verbände sind bereits jetzt vorgeschrieben, wurden in Leipzig jedoch nie realisiert. Es geht bei der Klage von NuKLA also um alle Wälder in FFH-Gebieten Europas: Überall ist Leipzig!

Gegen Sachsenforst, die im FFH-Gebiet verheerend ihrer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft frönten, stellte NuKLA im Jahr 2019 zwei Strafanträge wegen erheblicher Beeinträchtigungen europäisch geschützter Lebensräume und Arten. Hier hatten die Kettensägen selbst vor 300-jährigen Stieleichen nicht Halt gemacht. Der Strafantrag für das Stadtgebiet Leipzig wurde zunächst abgelehnt. Nach einer Beschwerde bei der Oberstaatsanwaltschaft wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Womit sich leider wieder zeigt: Nur mit entsprechender Hartnäckigkeit kann dem Naturschutz zu seinem Recht verholfen werden!

Forderungen

NuKLA fordert eine ökologische und naturverträgliche Waldbehandlung im FFH-Gebiet Leipziger Auensystem, statt einer für den Naturhaushalt unverträglichen Intensivforstwirtschaft. Diese Waldbehandlung muss nicht durch Forstverwaltungen erfolgen, sondern kann gern auch durch eine kompetente Naturschutzverwaltung geschehen. Viele der forstlichen Maßnahmen haben im FFH-Gebiet zu unterbleiben, wie die Weiterführung der unsäglichen Mittelwaldumwandlung im wertvollsten Bereich des Auwaldes, Femelungen sowie massive Altdurchforstungen und Sanitärhiebe, bei denen intakte Waldstrukturen systematisch ausgedünnt und schwer geschädigt werden. Für die Artenvielfalt müssen die standorttypischen hydrologischen Bedingungen wieder hergestellt werden – und das so schnell wie möglich! Außerdem ist eine unabhängige, deutlich bessere und umfassendere Erforschung des Auwaldes unter Beachtung der komplexen waldökologischen Zusammenhänge unabdingbar.

Angesichts des dramatischen Klimawandels bedarf es zwingend eines generellen Umdenkens in der Behandlung unserer kostbaren Waldökosysteme. Moderne Erkenntnisse der Waldökologie müssen endlich zur Kenntnis genommen und umgesetzt werden. Der Managementplan für das FFH-Gebiet Leipziger Auwald sollte entsprechende bindende Vorgaben machen: prioritär ist dabei die Wiederherstellung einer naturnahen Auendynamik. In die nächste Priorität gehört die Ausweisung weiterer Prozessschutzbereiche und eine sanfte Waldbehandlung. In derzeit strukturarmen Bereichen ist eine naturnahe Förderung der Stieleiche durchaus denkbar. Die Zeit, alte Muster zu überdenken und neue Erkenntnisse anzunehmen, sollte man sich nehmen, anstatt nach alten Schablonen Tatsachen zu schaffen und damit mehr Schaden anzurichten, als Gutes zu schaffen.

Leipzig, 24 April 2020

Fotos: Johannes Hansmann

1 https://www.bfn.de/lrt/0316-typ91f0.html?type=2

3 Bernd Gerken: „Auen verborgene Lebensadern der Natur“, Freiburg/Brsg. 1988

5 https://www.researchgate.net/publication/273775820_Das_Hutewaldprojekt_im_Naturpark_Solling-Vogler_Ein_Baustein_fur_eine_neue_Ara_in_Naturschutz_und_Landschaftsentwicklung

6 Otfried Lange: „Die geschichtliche Entwicklung des Leipziger Stadtwaldes“, Freiburg i. B. 1959, S. 139

7 Otfried Lange: „Die geschichtliche Entwicklung des Leipziger Stadtwaldes“, Freiburg i. B. 1959, S. 40

8 https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/hochwasser-halle-meldet-hoechsten-pegelstand-seit-400-jahren-a-903815.html

10 https://www.l-iz.de/politik/sachsen/2020/03/Wer-das-Verbandsklagerecht-in-Sachsen-einschraenken-will-tritt-ehrenamtliches-Engagement-mit-Fuessen-320544#comment-15922

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