Der sächsische Wald im Klimawandel: “Es ist ganz deutlich, dass wir im Gespräch bleiben müssen.”

Wald im Klima- und Forststress: Eichholz bei Zwenkau

Wald im Klima- und Forststress: Eichholz mit “Femelloch” bei Zwenkau 2020. Foto: J. Hansmann

Beiträge zur Zoom-Konferenz „Wald als grüne Lunge: Braucht der Wald uns oder brauchen wir ihn?“ Teil 1

Von J. Hansmann (Aueninstitut für Lebendige Flüsse)

Der Klimawandel ist eine Herausforderung auf allen Gebieten. Seine Auswirkungen machen sich in fast allen unseren Lebensbereichen bemerkbar. Auch in den Wäldern sind die Veränderungen, die dieses globale Ereignis mit sich bringt, größtenteils inzwischen unübersehbar. Laut Waldzustandsbericht für Sachsen 2020 sind nur noch 21 Prozent der Waldbäume in Sachsen ohne erkennbaren Schaden, alle anderen zeigen eine schwache bis deutliche Beeinflussung an. Doch was tun? Wie stärken wir die Wälder? Wie können wir sie in der derzeitigen Lage unterstützen? Wie könnte man Wald entwickeln – oder sollte man ihn überhaupt mit menschlichen Mitteln „entwickeln“ – oder kann man das überhaupt pauschalisieren? Muss der Mensch eingreifen – oder lieber nicht – und wenn ja, wo und wie? Was macht Wälder stabil und gesund? Und kann man Wälder so bewirtschaften, dass man ihnen in der derzeitigen Situation nicht schadet, sondern sie eher noch fördert?

Es ist eindeutig: das Thema Wald und Klima ist enorm vielschichtig und stellt uns Menschen vor eine Menge Fragen, die oft nicht einfach zu beantworten sind. Und es ist logisch, dass es bei einer solchen Komplexität viele Theorien und Ansätze gibt – die nicht immer miteinander übereinstimmen müssen. Umso interessanter ist das gemeinsame Diskutieren – denn gerade der Austausch sollte ja auch zu Wissenstransfer, Blickpunktwechsel und somit auch neuen Lösungen führen.

Am 10.12.20 fand zum Thema „Wald“ und „Klima“ eine Zoom-Konferenz mit dem Titel „Wald als grüne Lunge: Braucht der Wald uns oder brauchen wir ihn?“ statt, über die wir hier zusammenfassend berichten wollen. Interessierte können den Zusammenschnitt aber auch selbst auf Youtube nachhören.

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Als Podiumsteilnehmer waren

  • Wolfram Günther, Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

  • Dr. Yvonne Bohr, Naturwaldakademie Lübeck

  • Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde/Centre for Econics and Ecosystem Management

  • Prof. Dr. Christian Wirth, Universität Leipzig/iDiv

eingeladen.

Dr. Yvonne Bohr, Naturwald-Akademie

Dr. Yvonne Bohr von der Naturwaldakademie: „…dass man der Natur den Raum lässt, sich zu entwickeln….“

Dr. Yvonne Bohr von der Naturwaldakademie Lübeck ist Biologin und Ökologin, hat neben verschiedenen Forschungsaufenthalten in Indonesien und Madagaskar an verschiedenen Projekten zu Artenschutz und Biodiversität gearbeitet und ist Mitautorin diverser Studien zum Thema sowie des Alternativen Waldzustandsberichtes.

In ihrem Impulsreferat referierte sie zunächst mit ihrem fachlichen Außenblick zum Zustand der Wälder in Sachsen. Einer der Gründe für den insgesamt schlechten Zustand dürfte u.a. der hohe Anteil an Nadelholz sein, zudem sind die Wälder in Sachsen häufig sehr jung, es gibt einen hohen Anteil an naturfernen Monokulturen, die Totholzmengen sind statistisch gesehen sehr niedrig und der Holzvorrat ist ebenso relativ gering. All dies sind schon ohne Klimawandel sehr schlechte Voraussetzungen für gesunde und natürliche Wälder. Die sächsischen Wälder sind oft wenig dicht, ein Umstand, welcher ihr Mikroklima beeinflusst und zusätzlich die Trockenheit erhöhen kann. Schadflächen, welche durch Trockenheit, Borkenkäfer u.Ä. entstanden sind, werden i.d.R. ganzflächig ausgeräumt: dieses Vorgehen verschärft jedoch die Trockenheit und führt zudem zu mehr Verbissproblemen bei der Naturverjüngung, weiterhin werden so dem Ökosystem Wald Nährstoffe auf großen Flächen entzogen. Anscheinend wurde überdies der Waldumbau schon in den Vorjahren wahrscheinlich nicht konsequent genug angegangen.

Doch was nun tun? Frau Dr. Bohr meinte dazu: „..aus meiner Sicht ist es notwendig, dass man den Umbau hin zu naturnäheren Wäldern ernsthaft angeht und wirklich aktiv angeht, dass man zusieht, dass man konsequent ökosystemverträglichen Waldbau betreibt, dass man die Wälder hinbringt zu mehr Natürlichkeit, dass die ursprünglichen Waldgesellschaften, die dort natürlicherweise angepasst sind, dass man die fördert, dass man die entsprechenden Baumarten fördert, dass man Strukturen zulässt, wie sie in natürlichen Waldökosystemen typisch sind, dass man alle Waldentwicklungsphasen zulässt…“ Wichtig ist Frau Bohr bei allem, dass ergebnisoffen gearbeitet wird und der Natur Raum gegeben wird, sich zu entwickeln: „…das sind ja auch evolutionäre und mikroevolutionäre Prozesse, die da passieren und eine natürliche Auslese, die auf den Standort am besten passt und die auch zu den natürlichen Gegebenheiten am besten passt, man lässt dadurch auch eine genetische Auslese zu.“

Prof. Dr. Christian Wirth, Universität Leipzig/iDiv

Prof. Dr. Christian Wirth, Universität Leipzig/IDIV: „Ich glaube, wir müssen zumindestens übergangsweise waldbaulich nachsteuern.“

Prof. Dr. Christian Wirth ist Biologe, Botaniker und Ökologe. Neben Forschungsaufenthalten in Russland und den USA und der Mitarbeit an diversen Projekten und Forschungsgruppen hat er zahlreiche Publikationen zu sehr vielfältigen Themen (Biodiversität, Ökologie, Naturwaldforschung, Biogeochemie etc.) verfasst. Seit 2009 ist er Professor an der Universität Leipzig beim Institut für Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität, seit 2013 ist er zudem Geschäftsführender Direktor beim German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv), ebenfalls in Leipzig.

Wirth brachte in seinem Impulsreferat ganz andere Ansätze und Aspekte ein. Er sieht die Wälder betreffs des Klimawandels, v.a. in Bezug auf die Biodiversität, in einer Situation, in der es sinnvoll sein könnte, die Ökosysteme mithilfe von bewussten waldbaulichen Eingriffen zu steuern und somit auch zu stärken. Zwar sieht er es auch als sinnvoll an, mehr Naturwälder zuzulassen, gern auch mehr als die 5% aus der nationalen Biodiversitätsstrategie, aber in Angesicht der zahlreichen Unsicherheiten im Rahmen des Klimawandels empfiehlt er ebenso proaktive Strategien.

Ich glaube, dass unsere Waldlandschaft, die wir vorfinden zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht das Potential hat, die benötigte Vielfalt, die wir brauchen, aus sich selbst heraus jetzt schon zu generieren. Wenn wir Wälder und Waldlandschaften diversifizieren wollen, damit sie klimastabiler werden und multifunktionaler werden als sie jetzt sind, dann müssen wir ein paar Sachen machen. Ich glaube, wir müssen zumindestens übergangsweise waldbaulich nachsteuern. Wir müssen unsere sehr homogenisierte Umwelt wieder heterogener machen, v.a. was die Hydrologie angeht. Wir müssen Waldökosysteme vernetzen damit Baumarten auch wandern können und sich neu mischen können. Wir müssen ganz klar den Wildbestand stark regulieren – mit Selbstverständlichkeit. Wir müssen auch die strukturelle Vielfalt erhöhen, also es braucht v.a. Dingen deutlich mehr Totholz als das, was wir jetzt haben.“

Konkret nennt er als Maßnahmen die Förderung von trockenheitsangepassten Genotypen hiesiger Baumarten wie auch das maßvolle Experimentieren mit neuen Baumarten aus dem südlichen Europa – letzteres aber unter der Prämisse, dass diese nah verwandt sind mit unseren einheimischen Baumarten und so auch dazu geeignet sind, einen Ersatz für die einheimische Artenvielfalt darzustellen. Gleichzeitig sollte in seinen Augen die Diversität von Wäldern für den Erhalt der Artenvielfalt gezielt erhöht werden – dies aber v.a. im Rahmen umfassender wissenschaftlicher Erforschung und Betreuung:

Und wir sollten die funktionelle Diversität erhöhen, also möglichst Baumarten auswählen, die unterschiedliche Leistungsfähigkeiten und Anpassungen haben um das Risiko zu streuen und natürlich müssen wir diesen Weg kontrollieren, wir brauchen ein ganz exzellentes Monitoring, ein besseres als das wir jetzt haben…“

Wolfram Günther, Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

Wolfram Günther, Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft: „Wir haben eben so großflächig eingegriffen in dieses Waldökosystem, dass wir jetzt mit den Folgen umgehen müssen und dort auch Initiale setzen müssen – aber auch da ist es eben immer kein schwarz oder weiß“

Wolfram Günther, Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen, ist Jurist, Kunsthistoriker, Dozent und Politiker. Als Landtagsabgeordneter setzt er sich schon seit Jahren u.a. für die Themen Umweltpolitik und Landwirtschaft ein.

Wolfram Günther gab in seinem Impulsreferat einen Einblick über Entstehung und Zustand der sächsischen Wälder und Forsten. Er sieht einen der Hauptgründe für die klimabedingten Waldschäden in der weit verbreiteten forstlichen Prägung der oft naturfernen Forstkulturen, die zudem sehr stark von Nadelhölzern dominiert sind. Dieses Problem ist aber ein geerbtes Problem: besonders nach dem 2. Weltkrieg ging es darum, so schnell wie möglich Holz zu produzieren – und das damalige Mittel war eben die industrielle Massenproduktion bzw. in diesem Falle das Anpflanzen naturferner Nadelholz-Monokulturen, die schnell in der Masse industriell verwertbar waren. Dennoch gibt es noch naturnahe Wälder in Sachsen, die auch weniger unter dem Klimawandel leiden derzeit – doch die Monokulturen überwiegen leider. Und gerade diese homogenen naturfernen Aufforstungen sind momentan „ein gedeckter Tisch für Borkenkäfer“, welcher eigentlich sogar „repariert, er räumt eben menschlich überformte Flächen auf und man kann sich auch sicher sein, wenn man dort nichts tun würde, früher oder später, würde auf diesen Flächen auch wieder Wald sein. Aber die Frage ist, wie lange wollen wir warten, können wir uns das erlauben so großflächig, eben wegen aller anderen Waldfunktionen, die es eben auch gibt – auch die ganzen ökologischen Funktionen als Lebensraum, aber eben auch als Wasserspeicher etwa, als Kaltluftentstehungsgebiet, Naherholung… deswegen können wir nicht zusehen. Und deswegen auch die Frage: können wir alles sich selbst überlassen? Im Moment leider nicht. Wir haben eben so großflächig eingegriffen in dieses Waldökosystem, dass wir jetzt mit den Folgen umgehen müssen und dort auch Initiale setzen müssen – aber auch da ist es immer kein schwarz oder weiß. Natürlich gibt es enorme Selbstheilungskräfte auch im Wald und auch da müssen wir so ein bisschen umdenken vom bisherigen.“

Wolfram Günther sieht hier also mehrere Optionen: einerseits können behutsame Eingriffe Impulse geben, gleichzeitig aber sind auch die Selbstheilungskräfte der Wälder zu fördern und zu nutzen – ebenso wie die Naturverjüngung:

…wir müssen eben auch die gesamten Selbstheilungskräfte, die so ein Ökosystem hat, mit nutzen. Das heißt, natürlich müssen wir auch Naturverjüngung im größeren Ausmaß zulassen, wir müssen auch Vorwald zulassen auf solchen Flächen, wo jetzt auch die Fichte verschwindet.“

Betreffs der Bewirtschaftung sieht er ein generelles Umdenken für erforderlich, so sollte bodenschonender und weniger flächig gearbeitet werden. Dem Einsatz neuer Baumarten steht er kritisch gegenüber, er sieht hier vor allem eher die Notwendigkeit, die Wälder vielfältiger zu machen und auch Baumarten standortgerechter anzupflanzen oder eben als Naturverjüngung zuzulassen. Eine wichtige Aufgabe ist in diesem Zusammenhang v.a. auch die Revitalisierung der Fließgewässer und Moore:

Das ist eben… dieses Problem, wir haben auch im Wald, was wir in der freien Landschaft haben, Bachläufe einfach beseitigt oder begradigt – die müssen wir renaturieren…“

Neben der Strukturvielfalt sieht Wolfram Günther auch den Wert von Totholz, auch wenn es nicht immer einfach ist, Totholz während der praktischen Forstarbeit, aber auch wegen Wegesicherungsmaßnahmen, zu belassen. Für den Staatsbetrieb Sachsenforst sieht er hier eindeutig die wichtige Aufgabe, mit vielen dieser neuen Ansätze voran zu gehen und eine Vorbildfunktion einzunehmen, gleichzeitig werden derzeit aber auch für Privatwaldbesitzer neue Förderinstrumente gestaltet.

Und das machen wir auch, wir fördern auch die ganzen anderen privaten körperschaftlichen Waldbesitzer, aber eben mit ganz klaren Maßgaben. Es gibt viel Geld, aber das gibt es eben nur, wenn man künftig dort wirklich vielfältige stabile Mischwälder anlegt mit auch vielfältigen Strukturen.“

Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde/Centre for Econics and Ecosystem Management

Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde: „Ökosystembasierte Klimawandelanpassungsstrategie, ökosystembasiertes Waldmanagement, das ist meine Empfehlung!“

Prof. Dr. Pierre Ibisch ist Professor im Fachbereich für Umwelt und Natur an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und Gründer des „Centre for Econics and Ecosystem Management“. Seine Themenschwerpunkte sind Nachhaltige Entwicklung, Ökonik, Erhalt der biologischen Vielfalt, Global Change Management, Verwundbarkeits- und Risikomanagement und die Anpassung von Ökosystemen sowie deren Entwicklung in Bezug auf den Klimawandel. Neben langjährigen Forschungsaufenthalten in Südamerika und Russland hat er zudem Waldökosysteme aus aller Welt erforscht und darüber zahlreiche Publikationen verfasst. Weiterhin ist Ibisch Vorstandsmitglied der Deutschen Umweltstiftung, arbeitet beratend für die Regierung und ist Einzelsachverständiger beim Bundestag.

Auch Ibisch betrachtete zunächst den Zustand des Waldes in Sachsen generell. Ein interessanter Einwurf war, dass auch schon der aktuelle Waldzustandsbericht nicht die Wälder als Ökosysteme betrachtet, sondern nach einzelnen Baumarten unterteilt und diese bewertet. So mangelt es an grundlegenden Informationen zu Nutzung und anderen Einflüssen auf den Waldzustand neben dem Klima. Eine stichprobenartige Recherche aktueller Luftbilder lässt aber durchaus erkennen, dass es auch noch andere gewichtige Faktoren gibt, die auf den Waldzustand einwirken: flächige Monokulturen, Strukturarmut, rigorose Räumungs- und Sanitärhiebe und die massive Zerschneidung von Waldlebensgemeinschaften durch Straßen, Wege und v.a. Rückegassen. Dabei ist es besonders schizophren, dass es anscheinend Konsens ist, dass es allein schon wegen des Klimawandels (über)lebensnotwendig ist, den Totholzanteil in den Wäldern zu erhöhen – nichtsdestotrotz wird dieses aber nach wie vor in sächsischen Wäldern flächig entnommen. Ibisch stellte auch die Frage nach dem Sinn solcher flächigen Beräumungen: wird es denn überhaupt möglich sein, dort neuen Wald aufzuforsten oder besteht nicht auch die sehr große Gefahr, dass die dann dort neu aufgeforsteten Bäume, wenn das Trockenheitsproblem auch in den kommenden Jahren bleibt, schlicht vertrocknen werden und dass dann dort in der Konsequenz auf lange Sicht hin kein Wald mehr dort sein wird?

Also hier glaube ich, gibt es Diskussionsbedarf, denn die Frage ist ja, die wirklich üble Frage, was passiert, wenn diese Dürre anhält, die eine außergewöhnliche Situation darstellt, gekoppelt mit den hohen Temperaturen. Was ist, wenn etwa den Kiefern ähnliches widerfährt wie jetzt schon in großen Landesteilen den Fichten und werden wir dann damit so umgehen, dass wir alles räumen und den Wald dann neu starten? Und die Frage ist, geht das?“

Ibisch sieht aber trotz der vielen negativen Auswirkungen des Klimawandels Hoffnung, ist doch vielerorts aufkommende Naturverjüngung zu finden, die auch zugelassen werden sollte und welche zeigt, dass die Waldökosysteme mit ihren Selbstheilungskräften auf die derzeitige Situation reagieren.

Es gelangt mehr Licht auf den Waldboden, was aber auch Reaktionen auslöst, wo natürlich genau diese Selbstheilungskräfte, die immer so belächelt werden und als romantisch empfunden werden, deutlich werden insofern, dass ein Wald ja reagiert – etwa durch das Aufwachsen dann von jungen Bäumen durchaus vielerlei Arten, die hier versuchen, Lücken zu schließen. In der Tat, Totholz spielt eine große Rolle, da würden wir ganz andere Effekte jetzt sehen dieser Selbstheilungskräfte, hätten wir denn noch das Totholz, das einfach den Boden schützt, für Wasserspeicherung sorgt, Substrat, für die Keimung von Jungbäumen.“

Kontraproduktiv in der derzeitigen Situation sind vielerorts die Reaktionen des Forstpersonals, welche auf die Waldschäden mit ungeeigneten traditionellen Mustern reagieren – mit flächigen Eingriffen, welche Ausmaße von Kahlschlägen haben und welche auch nach destruktiven Eingriffen in den Waldboden monoton mit Bäumen aufgeforstet werden, von denen man meint, sie könnten in Zukunft bei dem sich ändernden Klima besser wachsen. Vorhandene Naturverjüngung wird nicht beachtet oder gar bewusst ausgeräumt. Diese Maßnahmen dürften dafür sorgen, dass die schon so steigenden Temperaturen und auch die Trockenheit in den kommenden Jahren in den betreffenden Wäldern noch mehr steigen als ohnehin.

Der Klimawandel treibt also die Temperaturen, ggf. bewirkt er auch reduzierte Niederschläge. Wir haben es jetzt mit dieser Anomalität zu tun, wo wir nicht gut verstehen, auch wie lange die anhält und die Faktoren wirken systemisch zusammen und die Pflanzen werden eigentlich mehrfach in die Zange genommen. Sie sind direkt Hitzeschäden ausgesetzt, sie haben es zu tun mit Trocknisschäden die durch die Austrocknung der Böden zustande kommen, Mangel an Wasser und dann gibt es noch diese Fönwirkung der heißen Luft, die die Austrocknung bewirkt und das führt natürlich dann zum Baumsterben… Hinzu kommt jetzt aber in unserer Kulturlandschaft, in unserer forstlich genutzten Waldlandschaft die Nutzung, die Kronendach auflichtet, die Wälder fragmentiert, die Rückegassen anlegt, usw. usf. – wo es Wirkungen gibt auf die Temperatur, Wasserverhältnisse, Wasserrückhaltefähigkeit in den Böden und das kommt sozusagen noch hinzu. Und wenn dann ein Problem auftritt, eben die Bäume absterben, dann greifen wir ein, im Moment im wesentlichen durch diese Kahlschläge, was nichts anderes bedeutet, als dass wir dann lokal die Temperatur noch mal erhöhen, und zwar ggf. auf lange Zeit. Wenn wir eine Kahlfläche haben, kriegen wir die nicht weg für längere Zeit. Und wenn es richtig heiß und trocken ist, wächst da auch nichts mehr drauf, dann haben wir ein Problem, sogar mit den gepflanzten Bäumen. Soweit meine Empfehlungen, die letztlich gar nicht nur für Sachsen gelten sondern für ganz Deutschland.“

Prinzipiell müsste aber nicht nur betreffs der Wälder über Strategien betreffs des Klimawandels gesprochen werden – sondern auch auf landwirtschaftlichen und urbanen Flächen besteht die Dringlichkeit, dass wir uns Gedanken machen – auch zugunsten der Wälder, die ja in die umgebende Landschaft eingebettet und nicht nur auf diese wirken, sondern auch Auswirkungen von ihr zurück bekommen.

Wir müssen uns schützen und wir müssen den Wald schützen vor Hitze und Trockenheit. Und das muss tatsächlich sehr ganzheitlich angegangen werden und das ist auch nicht in Ordnung, das wir das nur für den Wald diskutieren, dabei die Landwirtschaft außer acht lassen oder die Wasserwirtschaft, oder das, was in Siedlungen passiert. Für mich ist diese Zielsetzung, Kühlungs-und Wasserrückhaltekapazität der Landschaft bewahren, etwas ungeheuer Übergeordnetes, wo ich mir wünschen würde, dass in unseren Ländern entsprechende Anpassungsstrategien, Landschaftsmanagementstrategien entwickelt werden, die einschließen, dass man die Resistenz der Waldökosysteme bewahrt und entwickelt. Resistenz heißt erst mal, die eigene Kühlungsfähigkeit und Befeuchtungsfähigkeit. Resilienz im Sinne von Selbstheilung, und das hat viel zu tun mit Böden, völlig klar, mit dem Mikroklima, das hat zu tun mit der Biodiversität.“

Betreffs des Umgangs mit den Waldökosystemen warnte Ibisch vor intensiven Eingriffen, auch wenn diese manchen aktuell plausibel erscheinen, weil sie schlicht etwas tun wollen – aber was bringt es, wenn diese Taten kontraproduktiv sind?

Kurzfristig Finger weg von Laubwäldern, älteren Laubwäldern, die noch funktionieren, auch in dieser Dürrezeit, nicht weiter schwächen, in dem man sie weiter aufmacht, keine Kahlschläge, auch nicht auf Kalamitätsflächen, ganz dringend Totholz belassen, wo es nur irgend geht, man kann das auch mit Verkehrsicherungspflicht vereinbaren, und mittelfristig braucht es sicher da noch viel mehr gerade im Sinne der Förderung… Ökosystembasierte Klimawandelanpassungsstrategie, ökosystembasiertes Waldmanagement, das ist meine Empfehlung.“

Nach den Impulsvorträgen gab es noch eine Fragerunde, in welcher die bereits erwähnten Themen vertieft wurden, aber auch neue angesprochen wurden. Die OrganisatorInnen hatten im Vorfeld versucht, auch WaldbesitzerInnen für das Podium zu gewinnen, um auch deren Aspekte in die Diskussion einzubringen, leider aber gelang dies nicht. Dennoch wurde noch über die mangelnde Wertschätzung der Ökosystemdienstleistungen des Waldes gesprochen. Gerade private WaldbesitzerInnen besitzen zwar Wald und die Gesellschaft profitiert durch Ökosystemdienstleistungen (wie bspw. positive Beeinflussung des Klimas, Wasserspeicherung, CO2-Speicherung usw.) von diesem Wald, allerdings bekommen die Waldbesitzer dafür kein Geld und müssen von produziertem Holz leben, sind also abhängig von der Holzindustrie. Hier wäre es u.U. zielführend, wenn politisch gestaltend neue Modelle geschaffen werden würden.

Interessant waren auch die Fragen zum Lübecker Stadtwald und wie dort mit dem Problem des Wildverbisses bei der Naturverjüngung umgegangen wird. Da dieses Thema aber sehr groß und zu eigenständig ist, wird dies in einem in kurzer Zeit folgenden Text behandelt werden.

Natürlich war auch der Leipziger Auwald ein immer wiederkehrendes Thema im Laufe der Konferenz – auch hierzu wird es in Kürze einen weiteren Text geben, um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen.

Flächiger Windbruch in der Dübener Heide

Flächiger Windbruch in der Dübener Heide März 2018 infolge des Orkantiefs Friederike. Foto: J. Hansmann

Ein weiteres Thema neben weiteren war der Umgang mit Biomasse – sollte man sie eher nutzen oder im Wald belassen? Waldbesitzer sind ja doch letztlich auf Einkünfte angewiesen und wenn nun in Folge des Klimawandels große Flächen durch Kalamitäten ausfallen, ist dies für die Waldbesitzer erst einmal auch ein Werteverlust. Kurzfristig mag es logisch erscheinen, hier anfallendes und noch verwertbares Holz zu verkaufen. Langfristig aber dürfte eine rigorose Ausräumung betreffende Wälder sogar noch zusätzlich in der aktuellen Situation schädigen – weil diese Beräumung Waldklima wie auch Waldboden nochmals beeinträchtigt. Jetzt Biomasse in den Wäldern zu belassen mag also momentan erst einmal wie ein Werteverlust aussehen – kann aber durchaus auch als Investition in die Zukunft angesehen werden!

Alles in allem war diese Konferenz sehr interessant und lehrreich. Auch wenn die derzeitige Lage aufgrund der Pandemie oft frustrierend ist und vieles hemmt – die Zeit und die Mühe, eine solche Veranstaltung zu organisieren, haben sich gelohnt. Der Arbeitsgemeinschaft Umwelt- und Klimaschutz vom Kreisverband Leipzig der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist sehr zu danken! Gerade die Kontroversen sollten jedoch noch weiter besprochen werden. Konsens besteht offenbar darin, dass eine Wende im Umgang mit den Wald unabdingbar ist und das alle Änderungen wollen – aber wie und was und wo – wird auch sicher noch Gegenstand zukünftiger weiterer Diskussionen sein. Oder, um es in den Worten einer der Organisatorinnen, Wiebke Engelsing, zu sagen: „Es ist ganz deutlich, dass wir im Gespräch bleiben müssen.“

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