Zur Situation des Leipziger Auwaldes aus der Sicht des Leipziger Naturschutz-Verbandes NuKLA e.V.

Was ist der Leipziger Auwald?

Der Leipziger Auwald ist eines der größten zusammenhängenden Auengebiete Mitteleuropas mit einem weitläufigen Gewässernetz. Er ist vergleichbar mit Gebieten in der Rhein- und Elbaue, und zugleich ist er aufgrund der Speisung durch das System der Weißen Elster ebenso wie alle anderen Auen in Europa ein Unikat.

Bezüglich der Ausdehnung des Auwaldes einschließlich seiner hydrologisch durch Ausbau auf Zeit, also potenziell nur vorübergehend “still-gestellten” Standorte kann er sich mit der Donauaue bei Wien messen.

Vereinzelt wird gesagt, die Leipziger Aue sei nie stark umgelagert worden, so als ersticke sie im Auenlehm. Jedoch ausweislich naturkundlicher Schriften u.a. des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e. V. bildeten die Weiße-Elster-Auen mit den Luppe-Läufen und den Zuflüssen Pleiße, Parthe, Rietzschke und Zschampert vor 1930 eines der ausgedehntesten Auensysteme Europas. Es zeichnete sich, aus Fotodokumenten sofort erkennbar, durch eine merkliche Geschiebe- und Hochflut-Dynamik aus.

Die Spuren der dynamischen Aue sind trotz Austrocknung seit 1930 bis heute zu sehen, u.a. in Form von Steilwänden und grobem Geschiebe an und in den alten Gerinnen. Sie bilden das Pfand dafür, dass die Aue weithin, sowohl im Süden als auch im Nordwesten, zu großen Teilen revitalisierbar ist.

Was ist mit dem Leipziger Auwald bisher passiert?

Der Wasserhaushalt und die vom Wasser bewirkte Oberflächendynamik, die Hydrologie und auentypische Gestaltbildung (Morphodynamik) wurden durch den Bau der “Neuen Luppe” ab ca. 1930 außer Kraft gesetzt. Deren großräumige Drainagewirkung entzieht dem Auwald seitdem Wasser, und durch die selbstständig voranschreitende Vertiefung des künstlichen Bettes der Neuen Luppe wird dieser Vorgang immer dramatischer verstärkt.

Einige andere, kleinere und ebenfalls “korrigierte” Gewässer tragen zu diesem Zustand bei; das Kernproblem für die Nordwestaue bildet jedoch die Neue Luppe. Auf die Südaue wirken sich Verdämmungen, fehlende oder unzureichende Durchlässe und das nahezu strukturlose Hochflutbett negativ aus, so dass auch die Südaue einer Drainage unterliegt.

Diese somit im gesamten Auwaldgebiet Leipzigs gezielt hergerichtete, großräumig wirksame Drainage dient offenkundig und unverhohlen der Erleichterung einer “normalen” Forstwirtschaft und allen weiteren Erschließungsmaßnahmen, die aus der Sicht einer auf wirtschaftliches Wachstum setzenden Stadt sinnvoll erscheinen mögen.

Die Pflege des Naturpotenzials Aue spielt allenfalls eine kosmetische Rolle, kommt in verbalen Bekundungen oder in unzureichenden Projekten zum Ausdruck, und kann die Ökologie der ausgedehnten Aue nicht wirklich beflügeln.

Der Begriff “Wasserstadt Leipzig” – ein historisches Alleinstellungsmerkmal in Deutschland – gehört damit der “Vergangenheit auf Zeit” an. Tatsächlich wurde er durch die Neue Luppe und flankierende Maßnahmen außer Kraft gesetzt. Ein jahrhundertealtes Charakteristikum der Stadt wurde auf Zeit genommen. Wir betonen “auf Zeit“, denn die komplexen, Landschaft schädigenden wasserbaulichen Eingriffe können jederzeit zurückgebaut werden, und das wird zweifelsfrei in einer uns unbekannten Zukunft auch geschehen! Diese scheinbar unabsehbare Zukunft der Wiederbelebung der Aue erhält Zuspruch aus wissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Reihen.

Die Stadt geriet in Zugzwang, als u.a. der über Ostdeutschlands Grenzen hinaus renommierte Leipziger Botaniker Prof. Dr. Gerd K. Müller in seiner Publikation “Der Leipziger Auwald, ein verkanntes Juwel der Natur” (1992) das Potenzial der Wiederbelebung des Auwaldes anmahnte. Dieser Aufforderung folgten mehrfach und ausschließlich minimalistischste Versuche der Verwaltungen. Diese Maßnahmen gerieten nie über den Status unzureichender “Hilfsmaßnahmen für den Auwald” hinaus.

Alle bisherigen Maßnahmen, u.a. am Kunstkanal Neue Luppe (jüngst wurden Querriegel eingebaut), am Burgauenbach und Bauerngraben sind gut gemeint, de facto bleiben sie aber unwirksam, denn keine vermag den Auencharakter flächenwirksam wiederherzustellen, weil die Neue Luppe nicht angetastet wurde – offenkundig bis heute nicht angetastet werden darf.

Auch die aktuell unter “Lebendige Luppe (LL)” laufenden Maßnahmen sind nicht mehr als oberflächliche Kosmetik, ohne hydrologische Dynamik im Auwald herbeiführen zu können. Bezüglich der Kosten stellt das Projekt LL alle Projekte in den Schatten, was deren Auswirkungen im Sinne einer Revitalisierung betrifft. Die Konzeption des Projekts lässt erkennen, dass eine Revitalisierung, wo zu es der großen – und in Leipzig verfügbaren – Fläche bedarf, damit nicht möglich ist.

Die Projektgruppe formuliert diesen Tatbestand selbst. Die Maßnahmen im Projekt LL sind Beleg für die immer noch begrenzte und begrenzende Betrachtungsweise, indem auch der Zschampert nicht als Ganzes betrachtet wird, aber auch dieser Halbschritt viel Geld kostet und Eingriffe im Ökosystem bewirken wird.

Der einzig positive Effekt dieser verschiedenen, im Falle des Projekts LL viele Millionen Euro teuren, regionalen bis nationalen Förderungen, besteht in den Chancen, die junge Menschen im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen erhalten. Jedoch ist offensichtlich, dass diese nach wie vor nicht an den Erfordernissen naturnaher Auen orientiert werden, weil lediglich “Klein-Klein-Maßnahmen” von der zuständigen Verwaltung als Denk- und Handlungsrahmen zugelassen werden.

Dadurch wird jedoch auch der Bildungseffekt für die Studierenden stark relativiert. Was dabei geleistet wird, es ist fatal im Blick darauf, welches Verständnis ökologisch vollständiger und landschaftlich wirksamer Fließgewässer und Auen die jungen Wissenschaftler und Fachpraktiker aus diesen Projekten für ihre weitere Laufbahn als Forschende, Lehrende, und Planende mitnehmen können.

Was geschieht, wenn nichts unternommen wird?

Der Auwald wird weiterhin abtrocknen. Für die Bürgerinnen und Bürger wirkt sich direkt und indirekt aus.

  • Der Auwald kann seine filtrierende Wirkung zur Generation guten Trinkwassers nicht mehr wahrnehmen. Das betrifft insbesondere den Stickstoff-Eintrag und andere Giftstoffe, denn u.a. wird direkt in der Leipziger Aue noch konventionelle Landwirtschaft mit Kunstdünger und Pestizideinsatz betrieben (Pfingstanger).

  • Der Auwald kann die regional Klima-ausgleichende Wirkung nicht mehr so effektiv ausüben, wie es eine in ihrem Wasserhaushalt intakte Aue von Natur aus kann. Dass es ihn als Wald bzw. Baumholz noch als großräumigen Rest gibt, mag die Stadt kaum merken, aber schon die großflächigen Kahlschläge, euphemistisch Femelungen genannt in der Nonne, aktuell die Einschläge im Schutzgebiet Plaußiger Wäldchen und Oberholz sowie das Gedankenspiel “was wäre ohne Wald” lässt ungute Situationen mit Wind, Austrocknung, geringe Luftfeuchte erleben und zunehmend menschenfeindliches Lokalklima erahnen!

Für die Ökosysteme, die u.a. dem FFH/Naturschutz/Vogelschutz am Herzen liegen, und in übernationalem Kontext und Rechtserfordernis bestehen, bedeutet es, dass

  • die nicht mehr dynamischen Gewässer durch die Restwassermengen, die ihnen gestattet werden, die auentypische Flora und Fauna in Zusammensetzung und Zonation nicht erhalten können, einschließlich der Fischfauna. Bei den Gewässern fehlt die Dynamik der Gewässersohle als Voraussetzung für eine typische Reproduktion der Fische und der aquatischen bzw. amphibischen Kleinlebewesen.

  • der Auwald sich in seiner Artenzusammensetzung umstellt. Die auentypische Vertikal-Zonierung der Standorte ging bereits weitgehend verloren. z.B. wächst Bärlauch bis an die Wasserkante am Burgauenbach etc., die nahezu keine Schwankung mehr aufweist.

Auf die Umstellung reagieren gras- und krautige Pflanzen langsam, Bäume extrem langsam, wohingegen bodenlebende Tiergemeinschaften, u.a. der Laufkäfer, sehr schnell reagieren. Sie stellen sich innerhalb weniger Jahre um und bilden daher in Auen eine zentrale Indikatorengruppe. Die auentypischen Laufkäfergemeinschaften sind infolge der Drainagen auf großer Fläche bereits verschwunden – dort gibt es für bodenlebende Käfer keine Aue mehr – allenfalls gibt es wenige Refugien. Diese Indikatoren sagen, was bezgl. des Wasserhaushalts zu tun sei.

Die Aussicht auf Wiederherstellbarkeit dieser auentypischen Käfergemeinschaften ist realistisch und kann erfahrungsgemäß innert weniger Jahre erfolgen, wenn eine echte Revitalisierung vorgenommen wird. Eine Revitalisierung lohnt im Blick auf nationalen und EU-weiten Artenschutz und im gesamten sozio-ökonomischen Kontext!

Die Umstellung der Baumhölzer ist naturgemäß ein besonders langsamer Prozess, der aber z.B. für die Charakterisierung der Lebensraumtypen für FFH relevant ist. Was dazu für den Managementplan in den vergangenen zehn bis dreißig Jahren dokumentiert wurde, ist “Aue in Umstellung”. Momentan wird dieser, z.T. auch noch forsttechnisch und vorbei an Naturschutz-Erfordernissen herbeigeführte Wechsel der Baumarten (s. die sog. Künstlichen Mittelwaldflächen der Burgaue) argumentativ dafür hergenommen, weiter massive forstliche Eingriffe zu rechtfertigen, die als “Eichenverjüngung” von Verwaltung und vereinzelt aus der Biowissenschaft angepriesen werden.

Diese Eingriffe sind jedoch verheerend, denn statt der Naturverjüngung, die es nachweisbar gibt – aber nicht an den Stellen, wo es einzelne Förster gerne sehen wollen – ihren Lauf zu lassen, werden Plantagensetzlinge in 1m-Abständen ungeschützt in den durch schweres Gerät metertief verdichteten und zerstörten Boden gesetzt – und viele Setzlinge verdorren. Dem in Umstellung befindlichen Auwald wird somit die Chance genommen, sich im Sinne der naturüblichen Resilienz von Baumhölzern auch einer Revitalisierung folgend zu Auenwäldern erneut umzustellen! Die Natur der Aue kennt solche langzeitlichen Standortschwankungen, und wird daher auch mit anthropogenen Störungen befristeter Einwirkung fertig.

Jedenfalls sind die heute vorgefundenen nicht mehr die Auwälder der Landschaft um 1900-1920! Daher sind die zur Zeit der Erstellung des Managementplans und auch die heute vorhandenen Lebensraumtypen kein Maß für Entwicklungsmaßnahmen im Blick auf eine Zukunft, die der Leipziger Auenwald wieder erreichen kann.

Hierin liegt ein wichtiger Grund, warum der Managementplan (MAP) grundlegend neu bearbeitet werden muss. Dazu braucht es Kundige, die in europäischen Auen Erfahrungen gesammelt haben, die wir an den Auenresten deutschsprachigen Ländern in diesen Jahren nicht gewinnen können, denn diese sind weitestgehend technisch überprägt. Es bedarf der Kenntnis zahlreicher und standortökologisch naturgemäß sehr verschiedenartiger europäischer Aue, um die Besonderheit der Leipziger Aue wahrnehmen und ihr Revitalisierungspotenzial einschätzen zu können. Daraufhin wird der Maßnahmenkatalog für den Auwald zeitlich gesehen rasch erkennbar und kann zeitnah ausgeführt werden.

Auen zu revitalisieren erfordert einen langzeitlichen Blick und die Beachtung des gesamten Einzugsgebiets. Der Leipziger Auwald ist nur ein Teil des Systems der Weißen Elster. Die beste Lösung wäre daher ein Gesamtkonzept der Revitalisierung, das alle Gewässer und Auenflächen dieses Fluss-Systems betrachtet und konkrete Planungen vorlegt. Wir bezweifeln nicht, dass künftige Verwaltungen diese naheliegende Aufgabe erkennen und lösen werden. Doch dieser Zeitpunkt scheint noch nicht gekommen zu sein.

So lange man sich nicht an ein Gesamtkonzept heranwagen will, so kann doch der Leipziger Auwald als bedeutender Flussabschnitt schrittweise schon zuvor wiederhergestellt werden! Dass dies möglich ist, ergibt sich aus der bekannten Resilienz von Auen-Ökosystemen, deren Charakteristikum eine Schwankung der Standortbedingungen ist – und diese kann auch eine langzeitliche sein! Wir empfehlen, die Wiederherstellung der Leipziger Aue als erste Großaufgabe auch bevor das Gesamtkonzept erarbeitet wird.

Zu diesem Zweck kann der Auwald in drei Abschnitte von Süd (ab einschließlich der Betonelster(!)) nach Nordwest gegliedert werden. Für jeden der drei Abschnitte bieten sich revitalisierende resp. renaturierende Maßnahmen an, die Erfolg garantieren, ohne dass zeitgleich schon das gesamte Einzugsgebiet der oben genannten Speisungs-Zuflüsse revitalisiert werden müsste. Dass dies möglich ist kennzeichnet das Potential des Gebietes. Eine solche schrittweise Wiederherstellung wird dem gesamten Großraum Nordwest-Sachsens dienen. Diese ist derzeit das gesellschaftlich wie auch ökologisch plausibelste und realisierbare Oberziel.

Was wollen wir? (NuKLA Position)

NuKLA sieht seine Aufgaben darin,

  1. auf den bestehenden Wert des Leipziger Auensystems hinzuweisen. Dazu dienen u.a. die Ausrichtung von Symposien sowie Angebote von Vorträgen, Filmen, Exkursionen, und Dokumentation in Websites. Hinzu kommt umfänglicher Schriftverkehr mit allen zuständigen Behörden, Verbänden resp. Interessierter Bürgerinnen und Bürger und sonstigen beteiligten Akteuren.

  2. Konzepte zu erarbeiten und vorzutragen, die der weiteren konkreten Maßnahmenplanung und technischer Umsetzung der Revitalisierung dienen.

  3. Lehr- und Bildungsangebote bereitzustellen, die bei Zuständigen und in der Bevölkerung die besonderen Eigenschaften der Auenökosysteme, ihrer Lebensgemeinschaften und ihre Bedeutung für das regionale und lokale Klima und die vor Ort lebenden Menschen vermitteln. Dazu bildet der Auwald Leipzig ein bundesweit herausragendes Alleinstellungsmerkmal in Sachsen.

Gibt es Erschwernisse bei der Umsetzung von Beiträgen des Verbandes NuKLA e.V. und seiner Mitwirkenden? Wie wird von den zuständigen Behörden und anderen Verbänden mit NuKLAs Aktivitäten umgegangen?

Anregungen von NuKLA werden häufig offiziell nicht zur Kenntnis genommen. Konkrete Anregungen bzgl. der Behandlung der Auwälder werden abgelehnt, wie der Entwurf eines Antrages zur Revitalisierung der Nordwestaue, oder mussten auf gerichtlichem Wege zu Gehör gebracht werden, wie das Ende der fachlich unhaltbaren und gescheiterten Mittelwaldversuche in der Burgaue.

Ungeachtet der Tatsache, dass die hiesigen Forstbetriebe sich an die Gerichts-Aussagen zu halten haben, wird jedoch weiterhin und unter Inanspruchnahme aller möglichen “wissenschaftlichen” und rechtlichen Begründungen versucht, das nun geltende Urteil zur Verpflichtung einer UVP unter Beteiligung aller Verbände, also auch NuKLA/ GRÜNE LIGA Sachsen, bei geplanten Eingriffen in FFH-Gebiete zu verwässern.

Ausgerechnet der staatseigene Betrieb Sachsenforst, der einen Teil des Auwaldes forstlich “betreut”, kümmert sich nicht um diese gerichtlichen Vorgaben, und kann scheinbar ohne ministeriellen Einspruch nach herkömmlichem forsttechnischen Gutdünken in die Auenökosysteme und konkret auch geschützter Lebensraumtypen eingreifen!

Der Leiter des NuKLA Aueninstitutes für Lebendige Flüsse, Prof. em. Dr. Bernd Gerken, sieht als Außenstehender Blockaden der NuKLA-Initiativen auf breiter Linie.

Der Leipziger Auwald ist einer Beziehungskrise zwischen Verwaltungen, Verbänden und Einzelpersonen ausgesetzt, die bereits über Jahrzehnte zu Lasten der gesamtökologischen und gesamtgesellschaftlichen Funktionalität dieses überregional bedeutenden und ausstrahlenden Ökosystems wirkt“.

Die bestehenden Blockaden werden aufgelöst werden, wenn alle Beteiligten sich zusammenfinden, um die Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger und des Auwaldes offen zu erörtern und zu klären. Verwaltungen haben ihrem Auftrag in einer demokratischen Gesellschaft gemäß dazu lediglich eine vermittelnde Aufgabe. Es obliegt ihnen nicht, eine Richtung-festlegende Rolle zu übernehmen, in denen Verwaltungs-Vorgaben die Richtschnur bilden.

Da im Zusammenhang mit entsprechenden Gesprächsangeboten seitens NuKLA von der Verwaltung immer wieder auf das Projekt „Lebendige Luppe“ verwiesen wird, muss gefolgert werden, dass die Verwaltungen, insbesondere die der Stadt Leipzig, eine auentypische Revitalisierung nicht wünschen, und dass die alljährlichen öffentlichen Aussagen zur Notwendigkeit der “Wiederbelebung der Leipziger Auen” bloße Lippenbekenntnisse und Feigenblatt-Aktivitäten sind.

Vor dem Hintergrund hochfliegender Visionen einer massentouristischen Nutzung der kleinen Leipziger Gewässer, wie sie das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) nach wie vor anstrebt, und mit massiven Eingriffen auch in noch naturbelassenen Abschnitte z.B. der Weißen Elster Richtung Schkeuditz aktuell konkret vorsieht, wird dies nicht wirklich überraschen. Das WTNK reflektiert jedoch weder auenökologische Voraussetzungen und Gegebenheiten noch ist es kompatibel mit einer Revitalisierung der Aue. Eine Aue kann kein Boots-Gewässersystem werden, wie es Kanäle nach dem Zuschnitt von Venedig vielleicht nahelegen.

NuKLA vertritt auenökologische Zielsetzungen für den gesamten Auwald Leipzig, wie sie von Fachleuten der Auenökologie getragen werden, und u.a. an der Havel oder an der Donau, und zunehmend vielen weiteren Fluss-Systemen, wie etwa dem der Vjosa in Albanien vorbildlich umgesetzt werden.

So geschah es an der Havel maßgeblich durch den NABU (W. Stoiber ist in seiner Eigenschaft als NABU Mitglied, Mitglied im Bundesfachausschuss des NABU) in Zusammenwirkung mit allen örtlichen Behörden, die dies auch wünschten. So geschieht es derzeit an der Vjosa im Zusammenwirken internationaler Verbände mit der Landesregierung und wissenschaftlichen Instituten ebenfalls in internationaler Kooperation.

Eines der maßgeblichen Projekte in Deutschland gelang in Westfalen, wobei die Stadt Arnsberg beispielhaft die Kooperation der Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Behörden erlebte – und letztlich seit Jahren schon „eine lebendige Aue in der Stadt“ einen bundesweit vorbildlichen Umgang mit einem Fluss zeigt, der vor Jahren noch gefährliche Hochfluten erlebte.

Die Unterzeichner schließen mit dem Ersuchen an Bürgerinnen und Bürger sowie wirtschaftskräftige Unternehmen, die Position NuKLAs finanziell erheblich zu stärken, was zunächst auf zehn Jahre befristet werden kann, um den wirksamen Anschub leisten zu können. Hierzu sollten Flächen bereitgestellt werden, die zu unabhängigen auenökologischer Untersuchungen und Bildungsangebote dienen, und es sollen Fachkräfte aus den Bereichen Auen-Ökologie, Gewässerkunde und Wasserbau eingestellt werden.

NuKLA konnte zu diesem Ziel bereits kleinere Bereiche des Leipziger Auensystems mit auennaher Vegetation und Fauna erwerben und in Pflege nehmen. Dieser Fundus möge durch finanzielle Zuwendungen von privater Hand vergrößert werden und mit begleitender Infrastruktur ausgestattet werden, damit er wirksam werden kann. Hierzu zählt vorrangig die Einrichtung eines Auwaldgebiets zu modellhafter Pflege und Bewirtschaftung.

Hierzu ist Flächenkauf erforderlich sowie die Bereitstellung der Geldmittel für Bau und die Errichtung einer NuKLA eigenen Auwaldstation, die über das Potential informiert und dabei die Einmaligkeit der Leipziger Auenlandschaft für Europa heraushebt.

Diese Auwaldstation soll zugleich auch eine Bildungsstation für Bürgerinnen und Bürger und gezielt für Schulen, Hochschulen und übrige Bildungsinstitutionen werden.

In beiden Bereichen bedarf es der Bereitstellung von Personal- und Sachmitteln und der Anleitung der Mitwirkenden.

Konkret besteht ein Erfordernis auf Fortbildung auf allen Ebenen des Bildungssystems, das auch die Verwaltungen und Verbände erfassen kann. Es braucht nachweislich Auenlehrerinnen und Auenlehrer, die für alle Altersgruppen Angebote leisten können – und dies sollte mit spannenden Unterrichtsbeiträgen bereits für Kindergärten und Schulen angeboten werden.

    • Besucher des Auwaldes erhalten vor Ort ebenso kurzweilig wie fundiert Anleitung zum Umgang mit Auwald und Verständnis der tatsächlich begeisternden Zusammenhänge.

    • Besucher der NuKLA-Auenstation erfahren vieles über den Auwald und schaffen es, den Bürgerwunsch nach einer umfassend lebendigen und auch für Menschen gute Zwecke erfüllenden Aue den Verwaltungen unmissverständlich deutlich zu machen. Die derzeit tätigen Stadtwaldranger und existierende/n Auwaldstation/en erfüllen bisher vor allem Aufgaben im Sinne und zur Rechtfertigung des bestehenden Verwaltungshandelns, das seit Jahrzehnten eine Stagnation des Auwaldes bewirkt.

    • Es werden Grundlagen-Bestandsaufnahmen erstellt. Deren Auswertung erfolgt in Hinblick auf wirksame Revitalisierungsmaßnahmen. Hierzu gehört auch die Dokumentation der sich umstellenden Vegetation an allen Standorten einschließlich der Verjüngungsdynamik der Baumhölzer.

Wie wohl in allen Bereichen der Leipziger Aue wird bei der Dokumentation der Umstellungsdynamik der Baumhölzer Neuland betreten, was in der Einzigartigkeit einer jeden Auenlandschaft, und hier konkret jedes einzelnen Baumholzes, das bisher noch von forstlicher „Regulation“ wenig betroffen ist (wo also keine oder allenfalls kleinräumige Auflichtungen erfolgten), und in den ebenfalls einzigartig komplexen Eingriffs-Tatbeständen wasserbaulicher und forsttechnischer Art in Leipzig begründet ist.

Es braucht fachkundige Ökologen und ökologisch versierte Wasserbauer zur Revitalisierung des Auwaldes.

    • Mitwirkende bei der Auenstation erstellen in Zusammenarbeit mit allen Fachkundigen aus Ökologie und Technik ein Gesamtkonzept für die Revitalisierung resp. Renaturierung des gesamten Auwaldgebietes in Leipzig und Umgebung. Dazu werden auch die bestehenden, jedoch erkennbar stark von forstlicher oder wasserbaulicher Seite eingebrachten Randbedingungen eingeschränkten Wiederbelebungs-Konzepte und – Versuche ausgewertet (u.a. jüngst des LFULG)

    • Mitwirkende der Auenstation erfassen unabhängig von behördlichen Vorgaben oder Einschränkungen u.a. die natürliche Verjüngung und die Altersvorgänge aller Baum- und Straucharten, die Bestandsentwicklung bei relevanten Leitarten wie Eisvogel, Grüne Mosaikjungfer, Eremit, Mopsfledermaus, Mittelspecht, Wildkatze u.v.a.m. in Zusammenarbeit mit allen FachkollegInnen. Dabei besteht keine Bindung an behördliche Vorgaben oder partielle Interessen (etwa forstlicher, landwirtschaftlicher oder wasserbaulicher Art), da diese erfahrungsgemäß an gesamtökologischen Erfordernissen vorbeigehen.

    • Mitwirkende der Auenstation erfassen ebenso unabhängig die Entwicklung der Vegetation einschließlich. der Baumbestände sowie von Indikatorgruppen, deren Dokumentation in der Auenökologie allgemeiner Stand der Wissenschaft sind (u.a. bodenlebende Käfer, Mollusken).

    • Mitwirkende der Auenstation wirken bei der Konzeption von Revitalisierungsmaßnahmen mit. Das Projekt Lebendige Luppe wird dabei in den Hintergrund treten, weil es der Revitalisierung nicht dient, sondern sogar Eingriffe in den Bestand vorsieht, die einem gesamtökologischen Auenkonzept fachlich zuwiderlaufen würden.

Die Autoren dieses Beitrages sind sich der weitreichenden Konsequenzen der vorliegenden Ausführungen bewusst. Indem der Auwald Leipzig sowohl sozio-kulturell regional und überregional weitreichende Aufgaben zu erfüllen hat – man spricht gerne von „Ökosystem-Dienstleistungen“ – und er im Kontext europäischer Auenlandschaften eine herausragende Position einnimmt, rechtfertigt das Erhaltungs– und Entwicklungsziel einen entsprechend hohen Einsatz.

Dieser Einsatz darf allerdings nicht nur den Nutzen für die menschliche Gesellschaft zum Inhalt haben, denn in der Natur besteht grundsätzlich ein Gefüge an vielfältigen Wechselwirkungen. Das bedeutet, dass unsere Gesellschaft auch der Natur in angemessenem Maße geben muss, weil ein nachhaltiges Nehmen nicht ohne zeitgleiches Geben möglich ist – dazu braucht es ein Gleichgewicht der Gaben.

Das wäre dann das der Situation angemessene und übergeordnete sowie existentiell wichtigste Ziel! Dessen existentielle Reichweite kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass nur eine im Wasserhaushalt mindestens naturnahe Aue klima-regulierend und Grundwasser-spendend wirken kann. In der vereinfachten Auslegung, was „Ökosystem-Dienstleistung“ sei, erfahren wir diese bisher vor allem im Sinne einer Einbahnstrasse „Natur dient Mensch“ – und es wäre wiederum die biblische Aussage sensu „macht euch die Erde untertan“ unvollständig ausgelegt, wenn wir weiterhin glauben, es genügten zur Erreichung der Wechselwirkung (des „Geben und Nehmen“) bereits ein paar Almosen á la Zschampert, Burgauenbach und Querriegel in der Neuen Luppe.

Wir wünschen den vorliegenden Aussagen eine rege Diskussion und die baldige Eröffnung des Wegs zur Revitalisierung der Leipziger Auen. Die Zeit dazu ist reif!

Erstellt am 22. Mai 2023 – Internationaler Tag der Biologischen Vielfalt

Anschrift der Verfasser:

Bernd Gerken, Prof. em. Dr., Dipl. Chem., Aueninstitut Lebendige Flüsse, Leipzig

Maria Ziemer, Dipl. Phil., Dipl. Psych. NuKLA Vorständin

Wolfgang Stoiber, NuKLA Vorsitzender

Otto-Adam-Straße 14, D – 01457 Leipzig-Gohlis

Kontakt: Kontakt@nukla.de und s.a.m.nukla@nukla.de

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