Landesdirektion Sachsen feiert in diesem Monat ihr 5-jähriges Untätigkeitsjubiläum beim Schutz des Leipziger Auwaldes vor der Intensivforstwirtschaft

Kahlschlag in der Elster-Luppe-Aue (Verschlossenes Holz) im Februar 2019. Foto: J. Hansmann

Im Januar 2019 führte Sachsenforst im FFH-Schutzgebiet und Naturschutzgebiet des Leipziger Auwaldes umfangreiche Rodungsarbeiten durch, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der wertvollen und empfindlichen Waldökosysteme führten. Da entsprechende Schreiben im Februar 2019 von NuKLA e.V. – als Teil der GRÜNEN LIGA e.V. – an die unteren Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig und des Landkreises Nordsachsen unerhört verhallten (im Gegenteil, die forstlichen Einschläge gingen unvermindert weiter), schaltete NuKLA am 22. Februar 2019 die Landesdirektion Sachsen (LDS) als höhere Naturschutzbehörde ein. Die Einschläge wurden als Umweltschaden im Sinne des Umweltschadensrechts gemeldet und ein Einschreiten als Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde eingefordert.

Während NuKLA vor dem Oberverwaltungsgericht Bautzen im Juni 2020 einen großen Erfolg bezüglich der Einschläge im kommunalen Teil des Leipziger Auwaldes erringen konnte, verharrte die Landesdirektion Sachsen hinsichtlich der Einschläge durch Sachsenforst in absoluter Tatenlosigkeit, trotz mehrfachen Nachhakens seitens NuKLA bei der Landesdirektion und den beiden unteren Naturschutzbehörden der Stadt Leipzig und des Landkreises Nordsachsen.

In diesem Monat „feiert“ die Untätigkeit der Landesdirektion ihren 5-jährigen Geburtstag, in Worten FÜNF!

Daran hat auch eine offizielle Dienstaufsichtsbeschwerde der Grünen Liga vom 28. November 2023 beim Staatsminister des Inneren gegen die Präsidentin der Landesdirektion nichts geändert. Immerhin, das Antwortschreiben des Innenministeriums – sicherlich in Abstimmung mit dem Umweltministerium – ist auf den 24. Januar 2024 datiert und hat somit nur knapp 2 Monate gedauert.

„Ihre Beschwerde wurde eingehend geprüft.“, so heißt es in dem Antwortschreiben. Und dann weiter: „Im Ergebnis der Prüfung möchten wir Ihnen folgendes mitteilen…“

Dass die Dienstaufsichtsbeschwerde abgelehnt wurde, hat uns nicht überrascht – denn welche Behördenkrähe möchte der anderen schon gerne ein Auge aushacken – wohl aber die nur als abenteuerlich zu bezeichnende Argumentationskette.

„Der Vorhalt der Untätigkeit trifft in der Sache nicht zu.“, so die Referatsleiterin Personalmanagement des Innenministeriums. Die Landesdirektion habe sich von dem Landkreis Nordsachsen und der Stadt Leipzig „Sachberichte vorlegen lassen“ und „auf eine Information der Beschwerdeführerin (Grüne Liga) über den Bearbeitungstand der Anträge hingewirkt“.

Hierfür braucht die Landesdirektion 5 Jahre? Dies kann selbst bei den bekanntermaßen langsamen Mühlen der Verwaltung nicht geglaubt werden. Natürlich könnte die Landesdirektion bei den unteren Naturschutzbehörden Fristen einfordern und auf zeitnahe Informationen bestehen, wenn sie es denn wollen würde… Zu behaupten, der Vorwurf einer Untätigkeit sei unzutreffend, kann nur als grotesk benannt werden. Die einzige Antwort kann nur lauten: Die Landesdirektion will sich mit der Angelegenheit nicht befassen. Oder sie darf es nicht, weil die Machtverhältnisse zwischen Forstverwaltungen und Naturschutzverwaltungen in Sachsen eindeutig sind: Forstverwaltungen verfügen über viel Macht, Naturschutzverwaltungen über wenig oder auch gar keine Macht.

Das kennen wir auch aus der unteren Ebene in der Stadtverwaltung Leipzig. Berechtigte Kritik an forstlichen Maßnahmen im Stadtwald wird unmittelbar und konsequent mit einem Maulkorb und sonstigen Maßnahmen geahndet. Danach werden von willfährigen Vertretern der unteren Naturschutzbehörde Gefälligkeitsgutachten, die gegen jegliche fachliche Standards behaupten, Kleinkahlschläge in FFH-Lebensraumtypen in einer Größenordnung von knapp 25 Hektar seien geringfügig und als unerheblich im Rahmen einer FFH-Vorprüfung (Plausibilitätsprüfung) einzustufen (Hellriegel-Institut Bernburg, 2019), abgenickt.

Es wird aber noch abenteuerlicher! Das Innenministerium bzw. das Umweltministerium behauptet in dem Schreiben vom 24. Januar: „In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich zu diesem Zweck erforderliche Fachgrundlagen, wie die Fortschreibung der Managementplanung für das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“, erst in Bearbeitung befinden …. Diese Grundlagen sind für die Bearbeitung der Anträge nach § 10 USchadG … aber wesentlich…“.

Es sollte eigentlich hinreichend bekannt sein, dass eine behördliche Tätigkeit – und das umfasst auch die Bearbeitung einer Umweltschadensanzeige – grundsätzlich unter den aktuell gegebenen fachlichen und rechtlichen Sachverhalten zu bearbeiten ist. Ein bestätigter Managementplan lag beim Eingang der Anzeige vor, ebenso eine Grundschutzverordnung und weitere fachliche und rechtlich relevante Grundlagen. Die Richter beim Oberverwaltungsgericht haben in ihrem Urteil eindeutig bejaht, dass Kleinkahlschläge in FFH-Lebensraumtypen nicht als Maßnahmen zum Gebietserhalt betrachtet werden dürfen.

Auf einen in einigen Jahren fortgeschriebenen Managementplan zu verweisen, ist nicht nur als doch sehr plumpe Strategie einer weiteren Verzögerung des Verfahrens zu werten, sondern ist auch rechtlich grob falsch. Es ist geradezu skandalös, ein solches Argument für eine Ablehnung der Dienstaufsichtsbeschwerde vorzubringen. Gleichermaßen könnte dann auch eine Anzeige gegen einen Schwarzbau oder einen sonstigen illegalen Eingriff in einem Naturschutzgebiet mit dem Argument abgelehnt werden, dass der Eingreifer veranlasst habe, dass die Schutzgebietsverordnung zukünftig geändert werde.

So ähnlich ist es übrigens auch mit der Managementplanung. Nicht die hierfür zuständige Naturschutzbehörde hat die Überarbeitung des Managementplans initiiert, sondern die Forstverwaltungen Stadtforsten und Sachsenforst. Also die Forstwirtschaft, die offensichtlich auch in Zukunft genau so intensiv Holz einschlagen möchte wie vorher. Interessant ist in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Hellriegel-Institut, welches sich als Gefälligkeitsgutachterbüro für das städtische Forstamt erwiesen hat (s.o.), sowohl für die Überarbeitung des Managementplans als auch für die FFH-Verträglichkeitsprüfung für die neue Forsteinrichtung von Stadtforsten beauftragt wurde. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere…

Kahlschlag an der Gundorfer Linie in der Elster-Luppe-Aue (Verschlossenes Holz) im Februar 2019. Foto: J. Hansmann

Völlig ignoriert wurden die einschlägigen Methodenstandards zur Ermittlung erheblicher Beeinträchtigungen in FFH-Gebieten und deren Lebensraumtypen. So ist v.a. die „Fachkonvention zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP“ des Bundesamtes für Naturschutz eine auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte fachliche Grundlage. In dieser werden z.B. Flächenverluste von 50 – 500 m2 Hartholzauwald als erheblich bewertet. Alleine die Größe der 2019 angezeigten beiden Kleinkahlschläge von Sachsenforst in diesem FFH-Lebensraumtyp betrug ca. 10.000 m2, d.h. das 20 – 200-fache des Grenzwertes. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Eingriffe durch weitere Kleinkahlschläge, Sanitärhiebe und intensive Altdurchforstungen. Es ist somit völlig offensichtlich, dass der angezeigte Umweltschaden tatsächlich eingetreten ist. Für eine solche Feststellung bedarf es wohl kaum 5 Jahre… Die Behauptung in dem Schreiben vom 24. Januar, die Bearbeitung der Anzeige der Grünen Liga sei „im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs und der Verfügung stehenden Ressourcen“ erfolgt und für „die erhöhte Komplexität“ sei „ein höherer Zeitaufwand leider unvermeidlich“, ist an Ignoranz gegenüber dem Engagement von Naturschutzvereinigungen kaum mehr zu überbieten. Man mag auch gerne von Behördenzynismus sprechen. Ein Behördenkomplettversagen ist auf alle Fälle zu konstatieren.

Ein Fazit zu ziehen fällt leicht: Der durch Sachsenforst erzeugte Umweltschaden soll und darf nicht festgestellt werden. Wenn Sachsenforst erheblich in ein Schutzgebiet eingreift, kuschen alle anderen Behörden. Die Landesdirektion wird ihre Untätigkeit notfalls auch weitere 100 Jahre ins Land ziehen lassen…

Dennoch: Wir werden nicht locker lassen!

Ein Beitrag von Michael Kleff

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Artikel über die Einreichung der Dienstaufsichtsbeschwerde:
https://www.nukla.de/2023/12/gruene-liga-sachen-e-v-reicht-dienstaufsichtsbeschwerde-gegen-die-praesidentin-der-landesdirektion-sachsen-aufgrund-der-langjaehrigen-ignoranz-gegenueber-dem-auwaldschutz-in-leipzig-ein/

Die Dienstaufsichtsbeschwerde im Wortlaut:
https://www.nukla.de/wp-content/uploads/2023/12/Dienstaufsichtsbeschwerde.pdf

Antwortschreiben des Innenministeriums:
Aufsichtsbeschwerde_LDS_Auwald_2024

Fachkonvention des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur Bestimmung der Erheblichkeit in FFH-Gebieten:
https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/planung/eingriffsregelung/Dokumente/lambrecht_u_trautner_-2007.pdf

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