Öffentliche Vorstellung zur Charta 2030. Das große Ziel und die Fehler

Rappelvoll ist die schöne Aula der Volkshochschule. Zur Vorstellung der nach einer umfangreichen Bürgerbeteiligung überarbeiteten Charta Leipziger Neuseenland 2030 ist kaum ein Platz leer. Auffällig ist auch, wie den Beteiligten aus Politik und Verwaltung die Freude ins Gesicht geschrieben steht. Und – ob man das Ergebnis konkret mag oder nicht – dies hat seine Berechtigung! Denn der Aufwand, die Bürgermeinung in Workshops, Briefbefragungen sowie Interviews umfangreich, detailliert und repräsentativ zu ermitteln, ist nicht von der Hand zu weisen. Zum Beispiel ein kritischer Einwand, wie tauglich diese Meinung denn sein könne, wenn nur etwa jeder sechste Befragte den Floßgraben kenne, ist völlig irrelevant. Mit diesem Argument könnten Wahlen und Bürgerbeteiligungen zu Gunsten einer Expertenautokratie generell verboten werden.

Nein, des Volkes Meinung wurde in Leipzig, Nordsachsen und auch im Landkreis Leipzig sorgfältig ermittelt und in die Charta eingearbeitet. Diese Stellen sind rot kenntlich gemacht. Was strittig bleibt oder nicht in die Charta passt, ist aufgelistet und also nicht unter den berühmten Teppich gekehrt. Sinnvoller ist schon die Frage, wie die nunmehr neun Thesen sich Geltung verschaffen sollen, ob eine politische Bestätigung und Selbstverpflichtung ausreicht. Aber über diese Verbindlichkeit zu streiten und zu urteilen, ist noch verfrüht, da das Papier Ende Mai erst unterzeichnet werden soll.

Mir stößt allerdings die Terminologie von Landrat Gerhard Gey unangenehm auf: Mit Worten wie „leistungsstark“, „Wasserwirtschaft“ sowie „Tourismuswirtschaft“ äußert er sich über den Naturraum Neuseenland. Da ich mit seinem Sprachgebrauch wenig vertraut bin, gebe ich jedoch nicht übermäßig viel darauf.

Hoch interessant ist hingegen des Volkes Stimmungslage: Die Leipziger priorisieren beispielsweise mit überwältigender Mehrheit die Punkte Wasserqualität (98%), intakte Natur (96%), öffentlicher Zugang/ÖPNV (96%) sowie Rad- und Wanderwege (89%). Darunter verbirgt sich auch die Frage nach klaren Regeln der Nutzung des Naturraumes. Die höchste, aber nicht sonderlich starke Ablehnung erfahren Hausbau/Privatisierung (16%), Motorboote (7%), Massentourismus (4%), Kommerz (4%) sowie Naturzerstörung (3%). Nur jeder vierte Bürger sieht die Entwicklung negativ.

Auch die erfragten Nutzungsgewohnheiten zeichnen ein spannendes Bild: Vor allem reichere Menschen nutzen Neuseenland. Und je betuchter und älter, desto eher sind Motorboote ein Thema. An allererster Stelle steht in jedem Fall der Erholungsfaktor. Aber die Natur soll intakt bleiben, die touristische Entwicklung dementsprechend „naturnah“ oder „sanft“ sein. auch die Elektromobilität wir stark befürwortet.

Fazit: Wenn dieses Meinungsbild als Auftrag und Maßstab verstanden und letztlich umgesetzt wird, dürfte die Charta Leipziger Neuseenland 2030 eine für die Natur allgemein freundliche Zukunft in der Braunkohlefolgelandschaft bereit halten. Und auch wenn der individuelle Einfluss auf diese Entwicklung nur mit 3,4 benotet wird, darf dies als gutes Demokratiebeispiel gelten!

Das ganze hat meines Erachtens nur einen großen Haken. Demokratie kann geltendes Recht weder ersetzen noch übergehen, und das bedeutet Naturschutzstatus für den Leipziger Auwald! Auch oder gerade wenn sich einige nicht daran halten wollen. Zugleich steht die Charta in der Hierarchie über dem touristischen Wassernutzungskonzept…Frank Willberg

Heute nun lesen wir in der L-IZ, dass 3/4 der Bevölkerung der Region eine Motorisierung der Gewässer und Kanäle ablehnen: http://www.l-iz.de/politik/region/2015/04/drei-viertel-der-bewohner-des-neuseenlandes-lehnen-eine-motorisierung-der-seen-und-kanaele-ab-auch-wenn-sie-danach-nicht-gefragt-wurden-85596

Dazu lassen wir uns etwas einfallen.

 

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