Lübecker Modell versus “Leipziger Konzept” – eine Posse aus dem Forstamt der Stadt Leipzig

Unser Leipziger Forstamtsleiter Herr Sickert sah sich kürzlich bemüßigt – vielleicht schon im Vorgriff der nächsten Forsteinrichtung? -, in einem Vortrag das Lübecker Konzept mit dem Leipziger Konzept (welches es gar nicht gibt) zu vergleichen. Herr Sickert betreibt mit diesem Vortrag offensichtlich eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, erfährt dieser Vortrag doch eine rege Verbreitung.

Unser NuKLA-Mitglied Michael Kleff hat hierzu folgenden ad hoc-Kommentare verfasst, den wir der interessierten Öffentlichkeit nicht vorenthalten möchten:

Mal abgesehen davon, dass es ein Leipziger Modell gar nicht gibt (im Gegensatz zum Lübecker Modell, welches eine lange konzeptionelle Phase hatte, als Vorbild für die Naturland-Zertifizierung dient(e) und ständig weiter verfeinert wird), weist der Vortrag von Herrn Sickert (31.05.2021) vielerlei Abstrusitäten, Falschangaben und Irreführungen auf.

Dass die Historien des Stadtwaldes Lübeck und des Leipziger Auwaldes unterschiedlich sind, ist sicherlich richtig. Die Behauptung, dass sich in Lübeck die Standortverhältnisse in den letzten 200 Jahren nicht geändert haben, dürfte zu hinterfragen sein (Entwässerungen, Standortsveränderungen durch Bestockungen Nadelholz, Klimawandel). Natürlich haben sich die Flussregulierungen in der Region Leipzig gravierend ausgewirkt, und auch die Stieleiche verjüngt sich derzeit noch wenig (an Waldrändern und jetzt auf den entstehenden Kronenverlichtungen aber durchaus auch und zwar zunehmend; zudem zu berücksichtigen die Eichenentwicklungszyklen, die natürlicherweise auch über Jahrzehnte in Naturwäldern Eichenverjüngung nicht erlauben und auch nicht notwendig machen; s. vielfältige “Eichenliteratur” zu dem Thema [z.B. K-F Weber]), Feldahorn, Winterlinde und Hainbuche verjüngen sich jedoch gut (zumindest in Beständen, die länger nicht oder nur wenig bewirtschaftet wurden; in Bereichen mit intensiver Durchforstung und ganz gravierend auf den zu Mittelwald umgewandelten Flächen allerdings deutlich weniger, da hier v.a. der Ahorn zum Zuge kommt der z.Zt. die forstlichen Wunden am besten zu schließen vermag).
“Diese Fehlentwicklung berücksichtigt das Leipziger Modell”: Dies ist natürlich

falsch. Die Flussregulierungen, Deiche usw. können nur durch eine hydrologische Auenrevitalisierung “repariert” werden, sicherlich nicht durch ein forstliches Umbauprogramm. Mit Harvester und Kettensägen Baumartenverteilungen zu schaffen, die für einen Auenwald typisch wären, ist an sich schon eine abstruse Idee, die mit Naturschutz rein gar nichts zu tun hat. Damit ist schon das Gegenteil zum Lübecker Modell benannt.

Seite 3 ist der Rubrik “bewusste Irreführung” zuzuordnen. Für das Lübecker Konzept wird die Ernte und Vermarktung dicker Bäume hervorgehoben, für das sog. Leipziger Modell, dass ab einem definierten Alter Bäume im Bestand bleiben (als Biotopbäume und Totoholz). Die ökosystemschonende Bewirtschaftung in Lübeck wird ebenso verschwiegen wie die Leipziger Kahlschläge (fälschlicherweise als Femel bezeichnet), intensiven Altdurchforstungen, Schirmschläge, Einsatz von Harvestern usw…

Die Diskussion um das Ringeln ist eine Pseudodiskussion (niemand hat behauptet, dass Vor Allem das Ringeln vordergründig zur Totholzerzeugung angewandt werden soll). Dass das aber überhaupt in Erwägung gezogen wird (mit dem passenden Begriff forsttechnischer Prozess), zeugt jedoch schon von einem Unverständnis gegenüber natürlicher Waldentwicklung und auch der Biologie totholzbewohnender Insekten (langwährender Prozess des Absterbens mit zahreichen Stadien der Mulmbildung usw. gegenüber der direkten Tötung durch Ringeln).

Die Antwort zu Frage 4 (S. 5) verkennt, dass man das Vorkommen geschützter Arten häufig überhaupt nicht erkennen kann (Vorkommen oft oben in den Baumkronen, die schlecht einsehbar sind). Die Eremitenerfassungen (v.a. von Hannes Hansmann) haben dies selbst für diese besonders gefährdete und prioritär geschützte Art deutlich gemacht. Die Aussage zur Einladung der Naturschutzverbände zur kritischen Begleitung kollidiert ein wenig mit der Aussage von Herrn Sickert, dass an der Friesenstraße (wo der letzte Einschlag gestoppt wurde) von Sabotage und Vandalismus gesprochen wurde, da angeblich zu viele Bäume mit einem §-Zeichen markiert wurden (im Nachinein sah man dann Stämme mit Mulmhöhlen + §-Zeichen am Boden liegen). Später sagte Herr Sickert noch, dass man zukünftig die genauen Ausmaße und Orte der Kahlschläge (Femelungen) nicht mehr vorher publik machen wolle.

Chaos und Vandalismus mit Kettensägen im Leipziger Auwald

Die Aussagen in der Tabelle zum sog. Leipziger Konzept sind zumeist sehr allgemein. Auf S. 6 zeigt sich einer der gravierendsten Unterschiede: Lübeck verfolgt den Prozesschutzgedanken (Orientierung an der natürlichen Waldentwicklung), Leipzig eine fest definierte Baumartenverteilung, wobei Esche von ca. 40 auf 20 % reduziert und Eiche von 20 auf 40% erhöht werden soll, sprich das Gegenteil von dynamischer Waldentwicklung. So werden ja auch die Eichenplantagen gerechtfertigt. Der Satz auf S. 6 “Dadurch können die notwendigen forstlichen Eingriffe auf das Notwendigste minimiert werden” ist somit bizarrer Unsinn oder zeugt von einer sehr seltsamen Vorstellungen von Begriffen wie “notwendig/auf das Notwendigste” und “minimiert”.
“Im Unterstand überwiegt eine gelenkte Sukzession.” Dem kann nur insofern gefolgt werden, dass nach den drastischen forstlichen Eingriffen sehr dynamisch (gelenkt durch die forstlichen Eingriffe und die Bodenverletzungen) Ahorn aufwächst.

Lübeck begreift den Wald als “zufallsbeeinflusstes, mulitivariables Sukzessionsmosaik”, Leipzig will den Zufall und die Multivariabilität so weit als möglich ausschalten.

Der Satz auf S. 7 “Leipziger Auwald ist ein Produkt jahrhunderterlanger menschlicher Einflüsse…” ist zwar nicht falsch, verkennt jedoch, dass v.a. die Flutungsaue prägend gewesen ist, Nutzung daher auch sehr mosaikartig wechelnd gewesen ist, und dass natürlich auch alle anderen Wälder in Deutschland mehr (oder weniger) anthropogen überprägt sind.
Zu den Prozessschutzflächen (S. 7 + 8): Wiederum ein krasser Kontrast zu Lübeck: In Leipzig wurden die Prozessschutzflächen z.T. vor der Ausweisung intensiv “vorbereitet” (Femel und Altdurchforstungen mit Entnahmen bis zu 100 Fm/ha) und sie dienen ja alles andere als zur Orientierung der forstlichen Bewirtschaftung (denn eine natürliche und sich selbst regulierende Waldentwicklung soll ja verhindert bzw. stark eingeschränkt werden).
Die Prozessschutzflächen in Leipzig sind keine Referenzflächen im Sinne, wie es in Lübeck erfolgt (die Bewirtschaftung soll so erfolgen, dass der Wald “es möglichst nicht merkt”). Ich kenne keine Publikationen von Stadtforsten, dass man aus den Prozessschutzflächen lernen möchte für die Bewirtschaftung. Es soll ja gegen die Natur gearbeitet werden.

Die sonstigen Sätze auf S. 7 können den Rubriken “inhaltsarme Worthülsen, Greenwashing und z.T. Falschinformationen” zugeordnet werden.

Auch die Seiten 8 – 12 zeigen, dass die Konzepte in Lübeck und Leipzig völlig unterschiedlich sind. Viele Sätze zu Leipzig sind stark geschönt bis falsch (z.B. “Erkenntnisse zu Möglichkeiten eingriffsarmer Bewirtschaftung werden genutzt”, “Starkbäume werden regelmäßig kartiert und ebenfalls nicht mehr gefällt.” [die Realität stellte sich bei den letzten Intensivdurchforstungen völlig anders dar; dazu muss man auch wissen dass als Starkbäume Eichen mit > 80 cm und Eschen > 70 cm Stammdurchmesser gelten], “natürliche Verjüngung wird künstlicher Verjüngung vorgezogen, wenn die Möglichkeit besteht” [die Möglichkeit besteht wohl nur sehr selten…, auf den Jungaufforstungen wird natürliche Gehölzsukzession konsequent entfernt], “Die Eingriffe in die Waldbestände werden auf das Nötigste zum Erreichen der Zielvorgaben Erforderliche beschränkt” [Realität Altdurchforstungen mit Entnahme 100 Fm/ha, Schirmschläge, Kahlschläge ca. 0,3 – o,8 ha]. Der 0,8 ha große Kahlschlag in der Nonne wird offensichtlich als “kleinste femelartige Kahlfläche” verstanden.

Fazit: Warum werden die beiden Ansätze überhaupt gegenübergestellt, sind sie doch völlig unterschiedlich?:
– in Lübeck “dynamischer Ansatz” mit: konsequente Verfolgung des Ansatzes Prozessschutz, nur Einzelbaumnutzung, Erhöhung des Holzvorrates, fast ausschließlich Naturverjüngung, keine Harvester, minimaler Input (Minimumprinzip) usw.
– in Leipzig “statischer Ansatz” mit: Waldumbau mit forsttechnischen Methoden, fixe Vorgabe Baumartenverteilung, Kahlschläge, Etablierung Eichenplantagen, Schirmschläge, Altdurchforstungen mit 100 Fm/ha, Sanitärhiebe, hoher Input (Kosten, Fremdfirmen usw.) usw.


Warum von “Leipziger Konzept” sprechen, werden doch einfach die klassichen Methoden der intensiven Forstwirtschaft angewandt?

Fotos: NuKLA

Foto 1: Zitat Herr Sickert: “Zur Sicherung der Verjüngung der Stieleiche sind kleinste femelartige Kahlflächen notwendig.” Realität: 0,8 ha großer Kahlschlag im Waldgebiet Nonne (angelegt im Winter 2016/2017)

Foto 2: Zitat Herr Sickert: “Biotopbäume stehen unter gesetzlichem Schutz und werden grundsätzlich nicht gefällt.” Realität: Einschlag an der Friesenstraße im November 2018

Foto 3: Referenzfläche des Lübecker Stadtwaldes “Schattiner Zuschlag”, ein alter Buchen- und Eichen-Hainbuchenwald. Von diesem Wald will man lernen.

Foto 4: Lübecker Wirtschaftswald mit vielen alten Eichen und Buchen sowie reicher Naturverjüngung. Diesen Wald befährt kein Harvester. Der Wald wird nur sehr behutsam genutzt, so dass er es kaum merkt.

Links zum Lübecker Modell:

Das Lübecker Modell für den Wald der Zukunft


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