Alle wollen was für den Auwald tun – aber erst einmal baut man eine neue Spundwand

Beginnende Bauarbeiten an der Spundwand im Ratsholz November 2021. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Wir haben bereits in einem Beitrag im Juli 2021 über das Ratsholz und die dort geplante Spundwand informiert.1 Inzwischen hat man nun mit den Bauarbeiten begonnen.2

Selbstverständlich kritisieren wir diese Bauarbeiten und diese Spundwand!

Leider ist es sehr schwer bis unmöglich, auf den Bau solcher Hochwasserschutzmaßnahmen Einfluss zu nehmen, und solche Bauvorhaben werden auch mit jahrelanger Vorlaufzeit geplant. Manche Altplanungen werden in unseren Verwaltungsapparaten selbst dann noch durchgeführt, wenn sie dem neuen Stand von Wissenschaft und Technik – ggfs. sogar seit Jahrzehnten schon – nicht mehr entsprechen. Dennoch ist es erstaunlich, wie schizophren der Freistaat in Sachen Auenrevitalisierung ist: einerseits ist man sich der ökologischen Bedeutung des Auensystems bewusst und arbeitet an einem Gesamtkonzept3 – andererseits wird nun durch die Landestalsperrenverwaltung eine fast 700 Meter lange Spundwand verbaut (nachträgl. Anmerkung: nach Informationen eines anonymen Hinweisgebers kann die geplante Spundwand auch kürzer sein, allerdings erstreckt sich die Baustelle 700 Meter entlang des Deichs, und wir kritisieren auch eine kürzere Spundwand).

Ist diese Spundwand alternativlos?

Beginnende Bauarbeiten an der Spundwand nahe dem Teilungswehr Großzschocher im November 2021. Foto: J. Hansmann

Nein, es hätte andere Maßnahmen gegeben, und auch der Managementplan für das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ empfahl hier andere Maßnahmen („Deichrückbau mit Hochwasserschutz auf rückverlegter Linie + Einzelobjektschutz in Auenlage“).4 Diese Empfehlung ist von 2012 und sie wurde aus staatlichen, d.h. aus Steuermitteln finanziert. Nun darf der Steuerzahler also eine Spundwand bezahlen. Eine Maßnahme im Jahr 2021, die der Zielsetzung des Managemantplans des FFH-Gebiets entgegenwirkt. Leipzig ist mit seinem Wasserbau auf dem technischen Stand von 1900 bis 1985. Wer Macho-Wasserbau am Fluss studieren will, kann es – deutschlandweit herausragend – in Leipzig tun und darf schier unbegrenzt Stahl und Beton sehen. Über den Kohlendioxid-Ausstoß allein dafür möge man im Sächsischen Umweltministerium mal rechnen! Wozu lernten Leipziger Verwaltungen die westfälischen Modelle einer einfühlsamen Flussrevitalisierung kennen, die gesamtökologisch und gesellschaftlich das Optimum in der Landschaft schufen? Die westfälischen und südbadischen Projekte am Fluss sind europaweit Vorzeigeprojekte und werden als solche weithin anerkannt und finden Nachahmer, wie Dr. Günter Bockwinkel und Dipl.-Ing. Bernhard Walser beim Internationalen Auenökologiesymposium im Oktober in Leipzig berichtet haben. – Jedoch glänzten bei diesem Symposium erneut die LTV und die so genannten Akteure aus Verwaltungen und Regional-Wissenschaft des deutschlandweit beispiellosen Mangelprojekts „Lebendige Luppe“ durch Abwesenheit (wir korrigieren uns: Mangelprojekt ist das Projekt „Lebendige Luppe“ des Ansatzes und der unzureichenden Wirkung wegen, Millionenbeträge an Euros fließen gleichwohl).5

Warum eigentlich diese Spundwand, was wird dort denn eigentlich gegen Hochwasser geschützt?

Bautafel für die Spundwand November 2021. Foto: J. Hansmann

Einerseits geht es um die Bahnlinie und die Brückenstraße. Beide hätten aber schon vor Jahren anders gebaut werden können, nur plant man ja auch heute noch Bauvorhaben so, als würden die hydrologischen Verhältnisse in der Aue, so wie sie heute bestehen, auch noch auf Jahrzehnte so bleiben! Dies ist kein Einzelfall, auch weiter nördlich hat man am Heuweg beim Neubau der Bahnbrücke zu klein geplant.6 In anderen Regionen Deutschland kann man übrigens besichtigen, dass es sehr wohl möglich ist, Verkehrswege und auch Brücken so zu bauen, dass sie einer Revitalisierung der Auen nicht im Wege stehen.

Weiterhin soll das Klärwerk Markkleeberg geschützt werden – wieder eine Altlast aus der Vergangenheit! Prinzipiell wäre es deutschlandweit zu überlegen, ob man seine Abwässer an Flüssen und Bächen klären muss oder ob noch andere Techniken Lösungen bieten würden (denn es gibt solche Techniken!). In diesem Falle wäre aber auch zu überlegen gewesen, hier den oben erwähnten „Einzelobjektschutz in Auenlage“ anzuwenden.

Auf jeden Fall machen Spundwand, Deich und Durchlass es nun schwerer, den südlichen Leipziger Auwald zu revitalisieren. Weil man an Flüssen immer von der Quelle bis zur Mündung, also stromabwärts, denken muss, ist es klar, dass dieses Bauvorhaben auch Einfluss auf die Revitalisierungsüberlegungen des nördlichen Leipziger Auwaldes haben wird. Bessere Lösungen, bei denen auch die Geschiebedynamik der Flüsse berücksichtigt wird, sind hier nun schwerer.

Aber sie sind nicht unmöglich!

Denn auch Spundwand, Deich und Durchlass wird man eines Tages wieder entfernen und auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen. Und man wird sich wundern, warum man eigentlich diese Dinge erst dorthin gebaut hat, obwohl es doch zu deren Bau bereits klar war, dass es bessere Lösungen gab!

Wie lange wollen Stadt und Land (vertreten durch LTV, Stadtverwaltung und Sachsenforst) den Bürgern noch erklären, dass sie den Auwald für wichtig halten und ihn beleben wollen, wenn sie nur unzureichend bis sogar kontraproduktiv Steuermittel einsetzen? Zur Belebung der Leipziger Auen hat sich in neuerer Zeit der Umweltminister Günther eingeschaltet – und diese nun hoch aktuellen Bauarbeiten bieten einen aus unserer Sicht dringenden Anlass, hier neu zu denken.


4 Prof. Hellriegel Institut e.V. an der HS Anhalt: “MANAGEMENTPLAN für das FFH-Gebiet Landesmeldenummer 050 E ‘Leipziger Auensystem’ (4639-301) und das SPA V05 ‘Leipziger Auwald’ (4639-451)”, S. 71 , Bernburg 2012

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