Zur Petition des Leipziger Ökolöwen und den Stellungnahmen der anderen anerkannten Naturschutzverbände zum Schutz des Cospudener Sees und zur angestrebten Erklärung der Schiffbarkeit

Der Batschke-Floßgraben im Fokus des WTNK. Foto: A. Schmoll

Eine Stellungnahme.

Prolog
Mit einer Erklärung der Schiffbarkeit wird ein Gewässer zu einer (Wasser-)Straße umgewidmet. Es gelten dort vergleichbare Regelungen, wie auf einer (Land-) Straße. Auf einer Straße haben die “Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (!)” Vorrang. Jetzt kann man sich die Frage stellen, ob Skater, Rollschuhfahrer, Spaziergänger und Fallschirmspringer auf der Karl-Liebknecht-Straße erlaubt sind. Auf einer (Land-)Straße jedenfalls gilt die StVO. Auf einer (Wasser-) Straße gilt das “nasse” Pendant: die SchiffVO, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Die “Schiffbarkeit” der Leipziger Gewässer, inklusive aller Seen, ist der feuchte Traum der Leipziger Stadtverwaltung, niedergeschrieben im Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK). Ziel war und ist es nach wie vor, die kleinen Auwaldgewässer so herzurichten, dass sie mit Motorbooten befahren werden können. Das bedeutet: Begradigen, vertiefen, befestigen, so wie man es noch Mitte der 2015er Jahre, kurz vor Auslaufen der Genehmigung, mit der südlichen Pleiße gemacht hat. Alle anderslautenden aktuellen Wortbekundungen aus der Politik sind Täuschungen und können leicht ad absurdum geführt werden im Kontext vergangener Aktivitäten wie auch aktueller Entwicklungen, z.B. dem Ausbau des Leipziger Stadthafens mit Liegeplätzen für 3 (!) weitere Fahrgastschiffe, für 40 (!) Sport- und Familienboote sowie zahlreicher Anlegeplätze für Paddelboote oder – ebenfalls in aktueller Planung – 3 raumgreifende Steganlagen an der Ritter-Pflugk-Straße und am Wehr Großzschocher. Wo sollen denn diese Boote alle fahren? Es ist doch absehbar, dass all diese Wasserfahrzeuge auch den Cospudener See werden befahren wollen bzw. sich dorthin werden verteilen müssen!

Zwar klingt es nett, wenn man als argloser Bürger in der Presse folgende Äußerungen liest: “Auch die angrenzenden Kommunen sprechen sich gegen den Plan aus. ‘Eine unbegrenzte Nutzung des Sees durch private Motorboote mit Verbrennungsmotoren kommt für Markkleeberg nicht in Frage’, sagt Oberbürgermeister Karsten Schütze (SPD) auf kreuzer-Anfrage. Die Stadt fordert Beschränkungen, komplett ausschließen will sie zum Beispiel Zwei-Takter. Das Leipziger Umweltdezernat sieht das ähnlich: ‘Die Schifffahrt sollte auf Fahrgastschiffe, nicht motorgetriebene Sportboote sowie motorgetriebene Sportboote mit alternativen (nicht fossilen) Antrieben beschränkt werden.'” (https://kreuzer-leipzig.de/2023/02/01/motorboote-auf-dem-cossi). Das Entscheidende (und die Wahrheit) kommt hier am Schluss: “Beschränkung”(!) auf “alternative (nicht fossile) Antriebe” ist ein manipulatives Framing und meint nichts weiter als eine Schiffbarmachung hinter vorgehaltener Hand und unter stillschweigendem Einbezug aller dafür erforderlich werdenden Maßnahmen (s.o.). Diese Art der Kommunikation ist an strategischer Irreführung argloser BürgerInnen kaum zu überbieten.

Entkrautung im Batschke-Floßgraben für den Motorbootsverkehr. Foto: Falk Bruder

Es muss an dieser Stelle unbedingt daran erinnert werden, dass eine der wichtigsten Verbindungen im Projekt WTNK der Floßgraben ist, sicher nicht zufällig dort Kurs 1 genannt. Bezogen auf dieses wunderbar naturnahe kleine Fließgewässer wurde auf Betreiben von NuKLA im März 2016 gemeinsam mit den Leipziger Verbändern BUND, NABU und Ökolöwe und weiteren ein Positionspapier verfasst und mit zwei NuKLA-Beschwerden an die obere Naturschutzbehörde (Landesdirektion) übergeben. Dieses Vorgehen hat bis heute dafür gesorgt, dass der Floßgraben (eigentlich die Batschke, denn wir haben es mit einem natürlichem Nebenarm der Weißen Elster zu tun) nicht mehr “gemäht” wird, also auch von keinem motorisierten (Leipzig-) Boot mehr befahren werden kann. Seitdem kann sich der Batschke-Floßgraben selbst renaturieren, was er auch tut (so hat sich z.B. der Biber wieder angesiedelt) – auch wenn es für eine richtige und umfängliche Revitalisierung an der erforderlichen hydrologischen Dynamik mangelt und der ständig wachsende Verkehr muskelbetriebener Boote eine Selbstdynamisierung limitiert.

Auch Leipzig-Boote haben starke Auswirkungen auf die Böden von Auwaldgewässern. Foto: J. Hansmann

Es ist ein fataler Irrglaube, dass Elektromotorboote gute Motorboote seien und kraftstoffbetriebene die bösen, was man gerade auch in den entsprechenden Verlautbarungen aus den Reihen der Leipziger Naturschützer lesen kann (https://www.l-iz.de/politik/region/2023/02/auch-der-bund-leipzig-bezieht-stellung-cospudener-see-tummelplatz-motorboote-511397): “Giftig” sind weder die einen, noch die anderen (sonst würden sie grundsätzlich nicht fahren dürfen). Erstere machen zwar weniger Lärm, aber Schäden in den Gewässern richten sie ebenfalls an, insbesondere durch massives Aufwirbeln der Sedimente auf den Böden der flachen Auwaldgewässer. Auch verursachen Elektromotorboote ebenso wie „klassische“ Motorboote Wellenschlag mit negativen Auswirkungen, so eine Erosion der Ufer und die Beschädigung von Lebensstätten empfindlicher Tierarten wie z.B. wellenschlagempfindlicher Libellenarten. Viele erinnern sich sicherlich noch an die großen elektromotorbetriebenen sogenannten Leipzig-Boote im Floßgraben, die nicht nur die Sedimente heftig aufwirbelten und den Eisvögeln das Fürchten lehrten, sondern auch entgegenkommenden Paddlern, die mit solchen Bootskolossen auf einem solchen Gewässer natürlich nicht rechnen konnten, jegliches Naturerlebnis raubten und die Kanuten zu Ausweichmanövern zwangen, die zwangsläufig und oft genug zu Schäden im Uferbereich führen mussten. Und wer denkt, in der Fortschreibung des WTNK würden das zukünftige Befahren des Floßgrabens mit Motorbooten und sogenannte Unterhaltungsmaßnahmen, die diesen Motorbootsbetrieb sicherstellen und verbessern sollen, verboten werden, der irrt gewaltig. Selbst muskelkraftbetriebene Boote haben, v.a. wenn es zu viele werden, Störwirkungen auf die an Fließgewässern lebenden Vögel! Wir sehen es überdeutlich im Floßgraben: Die Anzahl der muskelbetriebenen Boote steigt in den letzten Jahren ständig, die Anzahl an erfolgreichen Bruten des Eisvogels sinkt gleichermaßen. Dies ist dokumentiert.

Massentourismus auf Leipziger Gewässern. Foto: A. Schmoll

Bootsgängige (= schiffbare) Gewässer müssen IMMER möglichst frei oder zumindest arm an Wasserfauna und natürlicherweise im Wasser liegendem Totholz (welches besonders relevant für Fische und Insekten und als Ansitz für den Eisvogel ist) sein. Eine Kritik, die sich im Klartext allein gegen kraftstoffbetriebene Motorboote auf dem Cospudener See richtet, greift also nicht nur zu kurz und wird der Komplexität wie auch der Brisanz der Lage nicht gerecht, sondern sie ist Schiffbarmachung durch die Hintertür! Daher ist die gesamte politische Entwicklung in Bezug auf die Leipziger Gewässer (gipfelnd in der geplanten Schiffbarmachung entsprechend dem WTNK und seiner aktuellen Forschreibung) zu kritisieren, statt sich an dem aktuell der Öffentlichkeit zum Fraße vorgeworfenen Bröckchen (kraftstoffbetriebene Motorboote auf dem Cospudener See) publikumswirksam abzuarbeiten!

Ebenso sind auch die zunehmenden und für die Leipziger Umweltverbände scheinbar harm- und folgenlosen Freizeitnutzungen in ihrer kumulativen Wirkung zu hinterfragen – so übt SUP-Paddeln eine sehr große Störwirkung auf Vögel aus. Sich also lautstark lediglich auf kraftstoffbetriebene Motorboote zu kaprizieren, ist sicher politisch korrekt, wirkt engagiert und wird von vielen LeipzigerInnen begrüßt – und wird von der Stadtverwaltung (vor dem Hintergrund der dahinterliegenden Strategie) dann wohlwollend geduldet werden.

Wenn die Stadt Leipzig ernsthaft meinen würde, dass es auf dem Cospudener See im Interesse des Naturschutzes Limitierungen geben soll, könnte sie dies ohne weiteres sofort anregen. Wir zitieren aus dem “Naturschutzfachliches Gutachten im Rahmen der Feststellung der Fertigstellung (FdF) des Cospudener Sees”, S. 68: “Sofern der Cospudener See vollständig oder teilweise aus Gründen des Natur- und Artenschutzes temporär (jahreszeitlich, tageszeitlich, usw.) gesperrt werden soll, kann dies nicht mittels der AGV zur FdF erfolgen. Für temporär nicht mit Wasserfahrzeugen befahrbare Wasserflächen wird mittels FdF die grundsätzliche Eignung zur Schifffahrt festgestellt, wobei idealerweise vorab (aber spätestens zeitgleich) über die einschlägigen Rechtsnormen die temporäre Sperrung bestandskräftig verfügt sein sollte. Eine einschlägige Rechtsnorm in diesem Zusammenhang ist die SächsSchiffVO. Nur die Schifffahrtsbehörde kann mittels gesonderter Allgemeinverfügung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SächsSchiffVO die Nutzung des Cospudener Sees tages- bzw. jahreszeitlich einschränken. Faktisch ist zur Aktivierung dieser Regelung eine erste Aktivität der zuständigen Naturschutzbehörde (der Stadt Leipzig, Anm. Verfasser) erforderlich. Sie liefert der Schifffahrtsbehörde die materielle Begründung für die beabsichtigte temporäre Sperrung. Die dann von der Schifffahrtsbehörde umzusetzende Sperrung erfolgt einvernehmlich mit der zuständigen Naturschutzbehörde. Dies kann in Form eines gesonderten Rechtsakts – parallel zur FdF – erfolgen.”

Es stellt sich also die Frage: Warum wird eine (ins Leere laufende) öffentliche Diskussion mit Petition (https://www.oekoloewe.de/petition-motorboote-cossi.html) und Medien-Tamtam angeschoben, wo doch die zuständige Naturschutzbehörde (der Stadt Leipzig) einfach nur aktiv werden müsste?

Connewitzer Schleuse (Baujahr 2011) – Baukosten 4 Millionen Euro Steuergelder. Foto: A. Schmoll

Die Forderung (der Stadt Leipzig und der Verbände) müsste, wenn man es Ernst meint mit dem Naturschutz, lauten: Gar keine Motorboote, weder kraftstoffbetriebene noch mit Elektromotor, und eine deutliche und kontrollierbare Begrenzung muskelkraftbetriebener Boote und anderer Wassersportgeräte! In 2012 hat NuKLA (ohne Internetplattform, sondern im persönlichen Kontakt und auf Papierlisten) über 11.200 Unterschriften für seine Petition “Auwaldschutz jetzt!” gegen Motorboote und für naturnahen, sanften Wassertourismus auf den Leipziger Gewässern, insbesondere dem Batschke-Floßgraben und dem Cospudener See, gesammelt. Diese Petition wurde vom Petitionsausschuss des Freistaates angenommen und in das Verfahren zur Schiffbarkeit an die Landesdirektion gegeben. In diesem Verfahren befinden wir uns jetzt (wieder): mit dem Teilverfahren zur “Feststellung der Fertigstellung” des Cospudener Sees. Daher müsste NuKLAs Petition im aktuellen (Teil-) Verfahren (Schiffbarmachung des Cospudener Sees) verfahrensrechtlich zwingend berücksichtigt werden. Die Landesdirektion Leipzig hat diesen Auftrag des Petitionsausschusses, die NuKLA-Petition bei der weiteren Bearbeitung zu berücksichtigen, aber ganz offensichtlicht ignoriert, allem Anschein nach bewusst, denn Verwaltungsverfahren “vergessen” nicht, wie man am Verfahren zur Feststellung der Fertigstellung anschaulich sehen kann.

Betreffend des aktuell laufenden Verfahrens zum Cospudener See wird NuKLA e.V. daher erneut beim sächsischen Petitionsausschuss anfragen, wieso im Jahr 2023 wieder der Versuch unternommen wird, den Cospudener See für schiffbar zu erklären. Seit Jahren fahren bereits Motorboote, auch benzinbetriebene, auf dem See. Alle diese Boote müssen, um fahren zu dürfen, eine Ausnahme-/Sondererlaubnis haben, es gibt Vorschriften für die Geschwindigkeit, den Lärmpegel und den Schadstoffausstoß (Chiemsee-Norm) und, das vor allem: Auf diese Weise kann die Anzahl der Motorboote begrenzt werden! Eine generelle “Schiffbarkeitserklärung” (via “Feststellung der Fertigstellung”) dient also vor allem dazu, die bestehenden Regulierungen aufzuheben! Und auch wenn man im Moment vermittelt, dass sich ja die Gesamtzahl der potentiell eingesetzten Boote durch die Anzahl der vorhandenen Liegeplätze in Grenzen hält (und damit limitiert sei), bedeutet das überhaupt nicht, dass demnächst nicht weitere Liegeplätze geschaffen werden. Wahrscheinlich gibt es derartige Pläne bereits!

Die Schiffbarmachung des Cospudener Sees muss zwingend als Teil des WTNK verstanden und in der Argumentation über das Verfahren zum Cospudener See auch so behandelt werden. Denn sie wird, als Teil eines großen Puzzles, nicht nur eine wirkliche Revitalisierung des Auwaldes gefährden (und damit übrigens auch eine wirksame Nutzung der Auenflächen zum Schutz bei Hochwasser), sondern die Fließgewässer werden in der Folge systematisch und scheibchenweise völlig zerstört, weil sie für die Verbindung der irgendwann allesamt für schiffbar erklärten Seen ausgebaut werden MÜSSEN. Es geht, auch in dieser Diskussion, letztlich darum, am Ende den Nutzungs- und damit den “Ausbau”-Druck zu erhöhen!

So sind für die Weiße Elster hinter Leipzig, die derzeit noch besonders naturnah und in weiten Teilen Vogelschutzgebiet ist und die in der Bootssaison selbst mit Kanus nur mit einer zu beantragenden Ausnahmegenehmigung befahren werden darf, 100 (!) Baumaßnahmen geplant (Biwakplätze, Umtragestellen etc.). Dabei ist es vollkommen belanglos, ob die Boote, um derentwillen alle diese “Bauvorhaben” eines Tages umgesetzt werden sollen, ihre Schiffsschrauben mit Strom oder mit etwas anderem betreiben – oder ob an der Südspitze des Cospudener Sees nur eine schmale Durchfahrt zum 150 Millionen Steuergelder kostenden (!) Harthkanal freibleiben soll oder der See komplett freigegeben wird!

Epilog
Das Ziel einer Schiffbarmachung (und des WTNK!) ist das Befahren mit motorisierten Booten, egal welchen Antriebs. Es geht auch beim Cospudener See darum, dass die Blaupause, an deren Realisierung im Hintergrund weiterhin mit Hochdruck gearbeitet wird, das WTNK ist. Und dessen Umsetzung, auch im kleinsten Teilstück, muss verhindert werden, wenn unser Leipziger Naturjuwel nicht, wie vorgesehen, zum Disneyland für den Wassertourismus verkommen soll!

Maria Ziemer et al.

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.