Waldzerstörung(en) im Leipziger Auwald durch Forstwirtschaft(en)

Waldzerstörungen im Leipziger Auwald durch hiesige Forstwirtschaften.

Ein Beitrag von Bernd Gerken und Axel Schmoll.

Am 18 August 2023 erschien bei MDR.DE ein Artikel „Waldzerstörung? – Naturschutzverein kritisiert Kahlschläge im Leipziger Auwald.“

Im folgenden Text gehen die Autoren auf den MDR Beitrag ein und ergänzen: Wir freuen uns, dass wir als NuKLA e.V. dem MDR und dem Journalisten Philipp Brendel vor Ort (in der Burgaue) unsere Positionen zum Schutz des Leipziger Auwaldes erläutern konnten. Insbesondere das völlig missglückte Experiment der Mittelwaldumwandlung eines ehemals intakten, alten und strukturreichen Hartholzauwaldes in eine artenarme, von monotonem Ahorndickicht und aufgrund der plötzlichen Freistellung absterbenden Überhältern – v.a. Eschen und Eichen – geprägte Waldruine war Gegenstand der gemeinsamen Exkursion.

Wir können nur immer wieder fragen, was sich eine Forst-Fachpersönlichkeit wohl denkt, wenn ein Hochwald dadurch in einen Mittelwald umgewandelt werden soll, dass bis auf ein paar einzeln stehende Bäume der gesamte vorhandene Altbestand gefällt wird. Mit dem Einschlag bricht das gesamte Kleinklima zusammen, in dem die Bäume viele Jahrzehnte, in Leipzig oft sogar zwei bis drei Jahrhunderte, gedeihen konnten. Das war eine ökologische Katastrophe; und jeder, der sich mit Bäumen und Wald nur ansatzweise auskennt, muss dies eigentlich wissen! Die verbliebenen Bäume wurden “Lassreitel” genannt, wie man die „Überhälter“ in echten Mittelwäldern nennt. In echten Mittelwäldern können diese Lassreitel bzw. Überhälter auch durchaus wertvolle Refugien für geschützte und selten gewordene Tierarten darstellen.

In Leipzig sind die freigestellten Bäume jedoch in einem Hochwald aufgewachsen. Sie haben ihr Leben lang dessen Wald-Innenklima erfahren, jedoch anders als echte Lassreitel im echten Mittelwald keine Mittelwald-typische periodische Freistellung im Abstand von ca. 30 Jahren. Das bedeutet, dass diese freigestellten Bäume zu Lassreiteln gegen ihre „Individualökologie“ „ernannt“ wurden. Deshalb musste man wissen, dass sie mit dieser Freistellung nicht zurechtkommen würden. Johannes Hansmann und Bernd Gerken haben mehrfach darauf hingewiesen, dass von den „ernannten Lassreiteln“ bald keiner mehr übrig sein werde. Dieses Absterben der, nennen wir sie „Schein-Lassreitel“, erleben wir seit der als Umwandlung beschönigend bezeichneten Maßnahme.

Und auch während der Exkursion mit dem MDR konnten zahlreiche abgestorbene und wipfeldürre Altbäume gezeigt und dokumentiert werden (s. Foto im Artikel des MDR). Natürlich kann in einem solchen Artikel mit überschaubarer Länge nicht alles aufgenommen werden, was wir vor Ort gesagt haben. Und das wesentliche, nämlich die Forderung nach einem ganzheitlichen Ansatz der Waldbetrachtung und -behandlung, einer Orientierung am komplexen Waldökosystem, ist in dem Artikel gut dargestellt.

Wir möchten hier nur noch drei grundsätzliche Argumente für unsere Positionen kurz ergänzen, die wir beim Vor-Ort-Termin besprochen hatten: Unserer Ansicht nach kann eine sanfte Eichenförderung, z.B. in natürlichen oder kalamitätsbedingten Auflichtungen oder auch an Waldrändern, sinnvoll sein. Grundsätzlich kann jedoch nur eine weitgehende Auenrevitalisierung die Lösung sein, die wesentliche Strukturen eines Auenwaldes wieder hervorbringen und auch die natürliche Entwicklung von Eichenanteilen generieren kann. Das Anlegen von Eichenkulturen bzw. –plantagen über Kahlschläge ist ökologisch desaströs und hat tatsächlich mit den Vorgängen von natürlichen Waldökosystemen an solchen potenziellen bis realen Auenstandorten der Ebene rein gar nichts zu tun.

Eine feste Vorgabe von Baumartenverteilungen – im Leipziger Auwald soll der Eichenanteil auf 40% angehoben werden und der Anteil der Esche auf 20% reduziert werden (mit der Kettensäge bzw. dem Harvester…) – ist waldökologischer Nonsens und widerspricht allen waldökosystemaren Grundsätzen. In einem Auenwald sollten drei Prinzipien vorherrschen: Dynamik, Dynamik und Dynamik. Als völlig unverständlich bis aus dem Nichts herbeigeholt ist diese zahlenmäßige Festlegung auf Prozentanteile von Baumarten in der oberen Baumschicht eines gereiften Auenwaldes.

Es gibt kein natürliches oder wenigstens naturnahes Vorbild für einen solchen Bestand. Auch ein Förster in Leipzig muss akzeptieren, dass uns in Mitteleuropa die Referenz-Bestände fehlen, an denen wir „das Übliche der Artenzusammensetzung“ studieren könnten. Es ist zu wenig Auenwald übrig geblieben, wie mehrfach das Bundesamt für Naturschutz auf der Grundlage umfassender Kartierungen in Deutschland belegte.

Was wir quer durch Europa an Auen noch vorfinden sind Ausbildungen, wobei jede Aue bezüglich Wasserhaushalt und Bodenaufbau ein Individuum ist. Für den Auwald in Leipzig gibt es kein Vorbild, an dem man den Baumartenanteil im gereiften Wald messen könnte.

Aber Stadtforsten und Sachsenforst legen Zahlenverhältnisse fest und nennen das in einer Publikation wissenschaftliche Arbeit? Skandalös ist das Ergebnis der Anfrage des MDR bei Sachsenforst: Zitat: “Aus dem OVG-Beschluss ergab sich daher keine unmittelbare Notwendigkeit, mit ministeriellen Erlassen oder betrieblichen Verfügungen zur Staatswaldbewirtschaftung zu reagieren.” Hiermit zeigt Sachsenforst, übrigens im Zuständigkeitsbereich des sächsischen Umweltministeriums angesiedelt, seine völlige Ignoranz gegenüber der herrschenden Rechtsliteratur zum OVG-Urteil zum Leipziger Auwald, z.B. von Jochen Schumacher vom Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen (https://www.nukla.de/2020/08/rechtliche-wuerdigung-des-auwald-urteils/) oder des renommierten Umweltjuristen und Kommentator des Bundesnaturschutzgesetzes Peter Fischer-Hüftle (https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an43113fischer_hueftle_2021_waldbewirtschaftung.pdf).

Überdies ist es Sachsenforst durchaus bekannt, dass die Landesdirektion seit längerem an einem Erlass, der das OVG-Urteil umsetzen soll, arbeitet und dabei durchaus den Präzedenzcharakter des Urteils erkennt. Es handelt sich also um eine doch recht dreiste Falschaussage, die hier der Öffentlichkeit als richtig vermittelt wird.

Auch der Förstersprecher des NABU Regionalverband Leipzig ist ziemlich verstörend. Wir hatten, ausgehend aus den aktuellen Positionen des Bundesverbandes des NABU zu dem Thema, zumindest gehofft, dass hier womöglich mittlerweile eine Trendwende Einzug gehalten haben könnte. Offensichtlich haben wir uns getäuscht. Auch beim NABU, wie bezüglich des Stadt- und Staatsforstes, warten wir auf eine fachliche Bewusstwerdung.

Zusammenfassend ist uns nicht erkennbar, dass Stadtforsten und Sachsenforst ihre naturschutz- und klimafeindlichen Bewirtschaftungsweisen in den letzten drei Jahren in irgendeiner Form reflektiert und überdacht haben.

Wir hoffen auf eine neue Generation von Fachkundigen, die sich den Wäldern und Forsten mit einem umfassenden Überblick widmen. Es ist dringend notwendig, dass auch in diesem Berufsfeld Empathie für Lebensgemeinschaften gefördert werden möge. NuKLA sieht leider bisher nur Anlass, seine Bemühungen um eine waldbauliche Neubesinnung für Leipzig und Sachsen zu erreichen. An die Leser dieser Zeilen geht unsere Einladung: Besuchen Sie unser nächstes internationales Auensymposium und die Exkursion in den Auwald vom 13. bis 16. September 2023 https://www.nukla.de/programm-2023/)). Wir bieten allgemein verständliche Beiträge auf dem wissenschaftlichen Stand der Zeit.

Und nun hier der Artikel des MDR: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/auwald-naturschutz-umwelt-abholzung-wasser-kritik-100.html

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