Über die Pseudobeteiligung der Leipziger Verwaltung von Naturschutzverbänden………..

Im Leipziger Rosental Oktober 2021. Foto: Johannes Hansmann

… am Beispiel der Großveranstaltung Klassik Airleben 2023 mit dem Hauptsponsor Porsche

Ein Beitrag von Axel Schmoll

Das seit einigen Jahren jährlich stattfindende mehrtägige Open-Air-Konzert im naturgeschützten Rosental „Klassik Airleben“ mit mehr als 60 Tausend Besucher/-innen ist in Leipzig und Umgebung gut bekannt.

Weniger bekannt ist die Tatsache, dass diese Veranstaltung mit den Bestimmungen für das Landschaftsgebiet (LSG) „Leipziger Auwald“ eigentlich nicht vereinbar wäre. Auch das europäische Vogelschutzgebiet und der gesetzliche Artenschutz spräche eigentlich gegen ein derartig störintensives Massenevent. Eigentlich…

Die Einbeziehung der anerkannten Naturschutzverbände durch die Prüfbehörden, v.a. durch die untere Naturschutzbehörde, ist für solche Veranstaltungen gesetzlich vorgeschrieben. So verlangt es z.B. die Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet.

Für solche Beteiligungen ergeben sich Anforderungen, damit behördliche Entscheidungen sachgerecht, rechtskonform, ausgewogen und transparent getroffen werden können: z.B. die Frühzeitigkeit der Beteiligung, eine angemessene Frist für Stellungnahmen, eine sorgfältige Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen, eine sorgfältige Abwägung der vorgebrachten Argumente usw. …. Eigentlich…

[Literatur des Umweltbundesamtes zu diesem Thema z.B.: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltrecht/beteiligungsrechte ]

Dass dies häufig missachtet wird, ist leider hinlänglich bekannt. Die Beteiligung beim diesjährigen Rosentalkonzert ist allerdings ein besonders krasses Beispiel dafür, wie die Ämter der Stadt Leipzig bzw. die untere Naturschutzbehörde rechtlich erforderliche Beteiligungen zu einer bloßen Alibi- bzw. Pseudobeteiligung verkommen lassen, die eines Rechtsstaates unwürdig ist. Eigentlich…

Obwohl die Veranstaltung am 30. Juni/1. Juli monatelang vorher intensiv beworben wurde, erfolgte die Beteiligung der Naturschutzverbände erst einen Monat vor der Veranstaltung selbst, die mehrtägigen Aufbauarbeiten gar nicht eingerechnet. Die gesetzte Frist: Gerade einmal 2 Wochen…

Klassik Airleben im Rosental 2022. Foto: A. Schmoll

Auch wenn der Alibicharakter der Beteiligung bereits zu diesem Zeitpunkt offenkundig war, hat der Naturschutzverband Sachsen e.V. am 5. Juni 2023 eine ausführliche ablehnende Stellungnahme an die untere Naturschutzbehörde versandt, die begründet, warum eine solche Veranstaltung naturschutzrechtlich nicht zulässig ist. So dient das Rosental gemäß LSG-Verordnung der naturnahen Erholung. Durch eine solche Großveranstaltung wird das landschaftsverträgliche Maß der Nutzung jedoch sehr deutlich überschritten. Voraussetzungen für eine Befreiung liegen nicht vor. Es handelt sich um eine kommerzielle Veranstaltung mit dem Hauptsponsor Porsche, der seine Fahrzeuge sogar auf der Wiese ausstellen darf. Außerdem gibt es Alternativstandorte für eine solche Veranstaltung, z.B. die große Festwiese südlich das RB-Stadions, wo eine solche Veranstaltung ohne gravierende naturschutzrechtliche Verstöße denkbar wäre. Brutvögel und v.a. Fledermäuse können in starkem Maße gestört und evtl. vertrieben werden. Eine belastbare Datengrundlage für eine sachgerechte Einschätzung des diesbezüglichen Konfliktpotenzials fehlt. Die den Naturschutzverbänden naturschutzfachlichen Prüfungen verstoßen eindeutig gegen einschlägige fachliche Standards. Aufgrund dieser gravierenden Defizite hat der Naturschutzverband Sachsen e.V. auch einen Abwägungsvermerk VOR Veranstaltungsbeginn eingefordert, damit eine rechtsstaatliche Prüfung möglich ist.

Dem wurde nicht nachgekommen. Erst eine Woche NACH der Veranstaltung wurde seitens der unteren Naturschutzbehörde ein Abwägungsprotokoll übermittelt, was zudem äußerst mangelhaft war, den fachlichen und rechtlichen Anforderungen nicht annähernd entsprach.

Die Grüne Liga Sachsen e.V. hat daraufhin am 13. Juli 2023 an den Leiter des Amtes für Umweltschutz, Herrn Wasem, ein Schreiben gerichtet und die Missverhältnisse im Sinne eines Widerspruchs erläutert und Akteneinsicht beantragt.

Klassik Airleben im Rosental 2022. Foto: A. Schmoll

Mit gleichem Datum hat die Grüne Liga ein Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig versandt, in dem auf das „außergewöhnliche“ Verwaltungshandeln hingewiesen wurde und ein persönliches Gespräch angeregt wurde. Eine Antwort vom Oberbürgermeister erhielt die Grüne Liga am 28. August 2023: Die Entscheidung sei nicht leichtfertig getroffen worden, die Suche nach einem alternativen Konzertort würde sehr intensiv betrieben, allerdings seien die geprüften Standorte für so viele Leipziger Besucherinnen und Besucher nicht geeignet, nachhaltige Beeinträchtigungen der Schutzgebietskulisse würden durch Auflagen vermieden… Für Rückfragen könne das Amt für Umweltschutz kontaktiert werden… Alles Antworten, die die vorgebrachten Kritikpunkte nicht im Ansatz entkräften können; im Gegenteil. Einem persönlichen Gespräch wurde eine Absage erteilt.

Der politische Druck ist natürlich auch im Falle der Rosentalkonzerte sehr hoch, das ist klar und verständlich, die Entscheidungsspielräume in der gegebenen Realität womöglich nur gering. Die Großveranstaltung ist politisch gewollt, der Hauptsponsor ist Porsche… Und dass finanzkräftige Investoren durchaus in der Lage sind, Verwaltungen und politisch Verantwortliche am Nasenring durch die Manege zu ziehen, ist allzu bekannt… Und dennoch muss sehr ernsthaft die Frage gestellt werden: Wir lange will sich die Naturschutzbehörde noch „vorführen“ lassen, dass Kultur gegen Naturschutz ausgespielt wird. Ist das Teil des neuen Images für Leipzig, welches sich immer weiter verfestigt?

Wir werden sehen, wie sich die Sachlage im Jahr 2024 darstellen wird. Wir haben den Eindruck, dass sich das Gewandhaus durchaus bewusst ist, dass die Großveranstaltung Klassik Airleben mit dem Naturschutz eher nicht vereinbar ist. Um es noch einmal deutlich zu machen: Wir haben grundsätzlich nichts gegen Open-Air-Veranstaltungen des Gewandhauses, im Gegenteil! Prinzipiell kann so die klassische Musik einem sehr breiten Publikum nahe gebracht werden, zumal wenn eine solche Veranstaltung kostenfrei ist! Daher unser aktiver Vorschlag, den wir auch dem Gewandhaus unterbreitet haben: Es gibt eine ideale Alternative: Klassik-Airleben auf großen Festwiese südlich des RB-Stadions!

 

Kleiner Nachtrag: In der LVZ vom 28. August 2023 konnte man lesen, dass die untere Naturschutzbehörde dem kleinen Sportverein SG LVB die Durchführung eines Crosslaufs im südlichen Leipziger Auwald verwehrt hat. Obwohl lediglich maximal 200 Laufbegeisterte vorhandene Wege – im Übrigen auch nach der Brutperiode geschützter Vögel – nutzen wollten. Eine zu hohe Belastung der Tier- und Pflanzenwelt und des Landschaftsschutzgebietes, so die Begründung. Es sei in jedem Falle eine Einzelfallentscheidung, so das Amt auf Nachfrage der LVZ. Ist das nachvollziehbar? 60 Tausend Besucher auf den Wiesen des Rosentals (und nicht nur auf Wegen…) mit entsprechendem Lärmpegel während der Brutzeit der Vögel und der Aktivitätsperiode von Fledermäusen stellen kein Problem dar, wohl aber maximal 200 leise laufende Jogger auf vorhandenen Wegen nach der Vogelbrutzeit? Die Leser/innen mögen sich ein eigenes Urteil bilden. Vielleicht hat es der Sportverein SG LVB ja auch nur versäumt, Porsche als Sponsor zu gewinnen…

Absage des Sportvereins SG LVB: https://laufgruppe-lvb.bplaced.net/wordpress/

 

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Argumente und Positionen, Auwald, Presse veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.