Der Beschluss des Stadtrates zum Forstwirtschaftsplan 2022 verstößt gegen geltendes Naturschutzrecht

Zur Fällung markierte Eschen im Plaußiger Wäldchen. Foto: M. Kleff

Über einen Artikel der Leipziger Internetzeitung erhielt NuKLA e.V. die Information, dass der Forstwirtschaftsplan 2022 am 13. Juli 2022 „komplikationslos“ im Stadtrat beschlossen wurde, ohne einen einzigen Redebeitrag und mit lediglich zwei Enthaltungen.1

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer hat betont, die Aufstellung des Forstwirtschaftsplans 2022 sei konform zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bautzen vom 9. Juni 2020 zum Leipziger Auwald durchgeführt worden. Auf Eingriffe in gewachsene Waldbestände habe man im Auwald ganz verzichtet und fokussiere hier v.a. auf Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. Aufgrund von Erfahrungen aus dem letzten Winter sind wir aber hier sehr skeptisch, wurde doch teilweise großzügig ausgelegt, wo man meinte, für Verkehrssicherheit sorgen zu müssen.

Es ist zudem bekannt, dass das städtische Forstamt mit der Erarbeitung der nächsten für die kommenden 10 Jahre geltenden Forsteinrichtung ab 2023 beschäftigt ist und zusammen mit Sachsenforst eine Anpassung des Managementplans für das Leipziger Auensystem initiiert hat. Später könnte man diesen neuen, möglicherweise nach Wunsch erstellten oder mindestens entsprechend beeinflussten Managementplan dann zur Legitimation forstlicher Maßnahmen benutzen. Wir wollen uns gern diesbezüglich irren, wollen aber trotzdem die Augen nicht verschließen vor der Möglichkeit, dass unsere Befürchtungen der Wahrheit entsprechen könnten.

Prinzipiell ist die Frage nach wie vor offen, ob das städtische Forstamt wie auch Sachsenforst aus den vielen Diskussionen der letzten Jahre bezüglich einer zukünftig schonenderen Behandlung des Auwaldes – auch angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise – gelernt haben.

Abgestorbener Überhälter im FFH-Gebiet Leipziger Auensystem im Oktober 2021. Foto: J. Hansmann

Die einleitenden Kapitel des Forstwirtschaftsplans 2022 2 lassen diesbezüglich leider nichts Gutes erahnen. Die Darlegung der Grundsätze der Bewirtschaftung wurden in keiner Weise angepasst. So wird an der Kleinkahlschlagswirtschaft zur angeblichen Eichenförderung vollumfänglich festgehalten, wobei jedoch jetzt noch sogar angekündigt wird, dass zukünftig – aus Gründen des Arbeitsschutzes – stehendes Totholz auf den Kahlschlagsflächen und im unmittelbaren Bereich (das wäre dann angesichts der Höhe der Bäume von bis zu 30 m ein Bereich von bis zu 30 m rund um die Kleinkahlschläge) nicht mehr toleriert werden kann. Dabei waren doch gerade Überhälter und randständige Bäume auch in Form von stehendem Totholz einst die Argumente, mit denen versucht wurde, diese forstlichen Maßnahmen schmackhaft zu machen, da hierbei ökologisch wertvolle Strukturen (eben Überhälter und stehendes Totholz) entstünden (was zu hinterfragen sei). Auch im derzeit noch aktuellen Managementplan wird in drei unterschiedlichen Behandlungsgrundsätzen sogar das Belassen von Überhältern gefordert (wobei wir uns darüber bewusst sein sollten, dass auch der alte Managementplan unter Beeinflussung von unseren öffentlichen Forstbetrieben entstand. Die Annahme, die Überhälter würden einen Ersatz für einen naturnahen Wald sein können, wäre ebenso darüber hinaus generell kritisch zu hinterfragen).3 Nun also sollen diese nach und nach absterbenden Überhälter (es ist doch sehr stark zu vermuten, diese Bäume hätten länger überlebt, wenn man auf solche Kleinkahlschläge und Mittelwaldexperimente verzichtet hätte), salopp ausgemerzt werden wegen des Arbeitsschutzes? Wenn man diese Kleinkahlschläge nicht so bewirtschaften kann, dass wenigstens ökologisch besonders wichtige Starkbäume und stehendes Totholz stehen bleiben können, dann sind diese Kleinkahlschläge ergo u.a. deswegen ganz offensichtlich nicht zielführend für das Schutzgebiet! Auch an dem Schirmhiebverfahren in der Burgaue zur Herstellung eines angeblich authentischen Mittelwaldes wird offensichtlich unbeirrt festgehalten, obwohl bekannt ist, dass bspw. Populationen bedrohter Fledermausarten durch solche Verfahren in anderen Regionen Deutschlands zum Erlöschen gebracht worden sind – von den anderen desaströsen ökologischen Folgen ganz zu schweigen!4

Gemäß neuem Forstwirtschaftsplan 2022 sind innerhalb des FFH-Gebietes „Leipziger Auensystem“ keine planbezogenen forstlichen Maßnahmen geplant. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ähnlich wie im letzten Winter wieder zahlreiche Altbäume gefällt werden, was dann aber sicherlich als Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit deklariert werden wird. In der vergangenen Hiebssaison hat man ja auch Wegesicherungen entlang von beliebigen Wald- und Reitwegen durchgeführt, auch wenn die Stadt hierzu teilweise in keiner Weise verpflichtet war.5 Vielleicht meint man, wenn man Bäume fällen möchte, wird sich im wahrsten Sinne des Wortes immer ein Weg finden, der vermeintlich zu sichern ist? Auf den Hinweis von NuKLA e.V. am 14. April 2022 im Rahmen einer Offenen Anfrage mit Nennung entsprechender Gerichtsurteile, dass entlang von Waldwegen keine Verkehrssicherungspflicht besteht, wurde salopp geantwortet, dass die Rechtsauffassung des Amtes der Öffentlichkeit nicht übermittelt werden müsse.

Außerhalb des FFH-Gebietes „Leipziger Auwald“ fallen v.a. eine geplante Femelung, also ein Kleinkahlschlag im Wachauer Wäldchen sowie eine Altdurchforstung im Plaußiger Wäldchen auf. Im FWP heißt es: „In 2022 ist außerhalb der NATURA 2000- Gebiete im Wachauer Wäldchen eine Femelung und im Plaußiger Wäldchen eine Altdurchforstung geplant.“ Somit haben wir es hier mit einer irreführenden Behauptung zu tun, denn beide Maßnahmenflächen befinden sich ja auch innerhalb von FFH-Gebieten, das Wachauer Wäldchen im FFH-Gebiet „Bläulingwiesen südöstlich Leipzig“, das Plaußiger Wäldchen im FFH-Gebiet „Partheaue“.

Das OVG Bautzen stufte den Forstwirtschaftsplan 2018 unter Beachtung des weit auszulegenden Projektbegriffs als Projekt im Sinne von § 34 Abs. 1 BNAtSchG und Artikel 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie ein. Einer besonderen Privilegierung der Forstwirtschaft in europäischen Schutzgebieten wurde mit diesem Urteil eine deutliche Absage erteilt.

Das OVG hat überdies der Öffentlichkeit ein frühzeitiges Beteiligungsrecht zuerkannt, und zwar nicht erst auf der Ebene der Ausnahmeprüfung.

Ein integrierter Managementplan oder ein integrierter Waldbewirtschaftungsplan, der eventuell forstliche Maßnahmen als eindeutige der Verwaltung des Schutzgebietes dienende Maßnahmen ausweisen könnte, liegt für das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ nicht vor. Für andere FFH-Gebiete liegen solche Pläne in der Regel auch nicht vor, so auch nicht für die beiden FFH-Gebiete „Bläulingwiesen südöstlich Leipzig“ und „Partheaue“.

Somit bestünde für die beiden Maßnahmen, sofern sie ein Potenzial hätten, erhebliche Beeinträchtigungen von FFH-Lebensraumtypen oder Habitaten von Arten, für die Erhaltungsmaßnahmen festgelegt wurden, auslösen zu können, eine FFH-Prüfpflicht.

Schauen wir uns die beiden Maßnahmen etwas genauer an.

Wachauer Wäldchen mit Dürreschäden im August 2022. Foto: J. Hansmann

Das nur etwa 1,2 ha große Wachauer Wäldchen im FFH-Gebiet „Bläulingwiesen südöstlich Leipzig“ wurde als prioritärer Erlen-Eschen- und Weichholzauwald – Ausprägung Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald mit Übergang in einen Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald – erfasst (FFH-Managementplan Stand 2004). Es ist die einzige Fläche dieses Lebensraumtyps im Schutzgebiet. Der Wald ist strukturreich, plenterwaldartig vielschichtig und wird von Eschen und Erlen dominiert. In der Verjüngung tritt viel Bergahorn, aber nach eigener Beobachtung auch bemerkenswert viel Ulme auf, ebenso stellenweise viel Esche und Weißdorn. Ingesamt gesehen ist der ganze Unterwuchs sehr heterogen, artenreich und daher wirklich sehr beachtenswert mit einem hohen Potenzial für die dynamische Weiterentwicklung.

Naturverjüngte Esche im Wachauer Wäldchen im August 2022. Foto: J. Hansmann

Die forstliche Maßnahme des Forstwirtschaftsplans 2022 sieht eine Femelung, also einen Kleinkahlschlag, auf einer Fläche von 0,3 ha vor, verbunden mit der Entnahme von 100 Festmetern (Kubikmetern) Holz. Setzt man einen Holzvorrat von ca. 380 Festmetern pro Hektar an, zeigt sich, dass auf der Fläche von 0,3 ha nahezu die gesamte Biomasse entfernt werden soll. Auf die gesamte Fläche des Wachauer Wäldchens bezogen bedeutet dies, dass ca. ¼ der gesamten Biomasse des Waldes entzogen werden soll. In der Verjüngung sieht der Forstwirtschaftsplan neben der Esche den Bergahorn vor, eine Art, die für diesen Waldtyp eher untypisch ist und daher zumindest nicht aktiv gefördert werden sollte – abgesehen davon, dass der Bergahorn von allein als Naturverjüngung aufkommt und daher auch keiner expliziten Aufforstung bedarf. Warum mit einer Baumart aufforsten, die untypisch ist und sich von allein dort gut vermehrt? Es sei auch zu hinterfragen, warum man die sonstige Naturverjüngung nicht weiter zur Kenntnis nimmt.

Vital: eine der vielen naturverjüngten Feldulmen im Wachauer Wäldchen im August 2022. Foto: J. Hansmann

Die Eingriffsanalyse für diese Maßnahme fällt leicht. Es handelt sich um einen massiven Eingriff in das Waldökosystem. Durch den Kleinkahlschlag, der ein lokales Offenlandklima erzeugt, wird das gesamte Wäldchen weiter fragmentiert, „heißgeschlagen“ und einem sehr hohen Anteil der Gesamtbiomasse beraubt. Durch den Eingriff wird zudem das Aufkommen des Bergahorns weiter gefördert. Potenziale wie das der Ulme wird nicht einmal beachtet. Insgesamt wäre für die Zukunft eine deutliche Destabilisierung zu konstatieren. Als habe man in den Zeiten des Klimawandels noch immer nicht erkannt, wie wichtig es ist, Wälder möglichst geschlossen und somit möglichst kühl zu halten.

Damit ist die Maßnahme auch fachlich betrachtet das absolute Gegenteil einer Maßnahme, die für die Verwaltung des Schutzgebietes dienlich sein könnte. Im Forstwirtschaftsplan wird jedoch behauptet, diese Maßnahme sei unumgänglich, um die Biodiversität des Waldbiotops zu erhalten, der hohe Totholzvorrat bleibe erhalten. Eine krasse Fehleinschätzung.

Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG wurde offensichtlich für das FFH-Gebiet „Bläulingwiesen südöstlich Leipzig“ nicht durchgeführt. Eine solche könnte nur zum Ergebnis kommen, dass diese Maßnahme unverträglich und somit unzulässig wäre.

Eschenbestand im Plaußiger Wäldchen im September 2022. Hier soll der Eingriff stattfinden. Foto: M. Kleff

Das etwa 7,8 ha große Plaußiger Wäldchen im FFH-Gebiete „Partheaue“ wurde ebenfalls als prioritärer Erlen-Eschen- und Weichholzauwald erfasst. Es gliedert sich in drei Teilflächen, die insgesamt von Eschen und Erlen dominiert werden und unterschiedliche Schichtungen aufweisen. Der Erhaltungszustand wird im MAP mit gut angegeben. Als Erhaltungsmaßnahme wird das Zulassen der natürlichen Sukzession auf Teilflächen vorgeschlagen. Beeinträchtigungen bestehen insbesondere hinsichtlich des Wasserhaushaltes und Bodenverdichtungen aufgrund des Einsatzes schwerer Maschinen (MaP-ID 10001, 2008).6

Der Forstwirtschaftsplan 2022 sieht hingegen eine Altdurchforstung auf einer Fläche von 3,6 ha vor, bei der insgesamt 252 Festmeter Holz geerntet werden sollen. Ob die Maßnahme tatsächlich auf 3,6 ha durchgeführt werden soll oder nur in einem Teilbereich, ergibt sich aus der Tabelle Abb. 11 des Forstwirtschaftsplans nicht. Gesetzt den Fall, es würden tatsächlich 3,6 ha altdurchforstet, ergäbe sich eine Entnahme von 70 Festmetern pro Hektar. Das entspräche einem Biomasseentzug von mehr als 18 Prozent und würde somit einen massiven Eingriff darstellen. Auch das Plaußiger Wäldchen ist ein sehr kleines Waldgebiet, in dem es sehr wichtig wäre, die Biomasse zu halten und zu mehren und dadurch das Waldbinnenklima günstig zu gestalten. Durch Biomasseentzug, Auflichtung und Bodenschädigungen käme es hingegen zu einer Destabilisierung des Bestandes.

Noch recht vital: Eschen im Plaußiger Wäldchen im September 2022. Foto: M. Kleff

In den BHG für dieses LRT7 ist weiterhin zu lesen: „Ein flächiges Befahren mit Maschinen hat zu unterbleiben. Da der LRT oft nur als relativ schmales Band entlang der Gewässer ausgebildet ist, dürfte dies in den meisten Fällen auch nicht erforderlich sein. Andernfalls ist auf eine angemessene Feinerschließung zu achten. Des weiteren sollen nur bestandes- und bodenschonende Rücketechniken zum Einsatz kommen. – Durchforstungen, Holzernte- und Rückungsmaßnahmen sind in mittelalten und alten Beständen auf die Zeit zwischen dem 1. September und dem 15. März zu beschränken. Aus Bodenschutzgründen sollte die Holzernte vorrangig in Frostperioden stattfinden.“ Wie soll bei einer so intensiven forstlichen Maßnahme eigentlich der Bodenschutz beachtet werden? Und ist diese Maßnahme überhaupt sinnvoll? Immerhin haben wir es mit einem Erlen-Eschen- und Weichholzauwald zu tun – und hier sind viele der Eschen, eventuell wegen guter Grundwasserverhältnisse, sogar noch vergleichsweise vital, selbst nach drei Jahren Dürre. Die abgestorbenen Eschen fallen um und bilden Totholz – wozu will man noch mal genau hier eingreifen? Eigentlich macht diese Maßnahme gar keinen Sinn, sondern hat nur das große Potential, Schaden anzurichten.

Somit ist diese Maßnahme fachlich betrachtet ebenfalls das Gegenteil einer Maßnahme, die für die Verwaltung des Schutzgebietes dienlich sein könnte. Im Forstwirtschaftsplan wird jedoch behauptet, die Maßnahme sei notwendig, um die Stabilität des Waldbestandes zu erhalten und die Biodiversität zu verbessern. Ebenfalls eine Fehleinschätzung.

Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG wurde offensichtlich für das FFH-Gebiet „Partheaue“ nicht durchgeführt. Eine solche könnte nur zum Ergebnis kommen, dass diese Maßnahme unverträglich und somit unzulässig wäre.

Sinnvoll wären für die beiden Waldbestände hingegen Maßnahmen, die den Gewässerhaushalt stabilisieren und verbessern und somit geeignet wären, den Erhaltungszustand der prioritär geschützten Erlen-Eschenbestände zu erhalten und zu verbessern.

NuKLA e.V. wird von der städtischen Forstbehörde förmlich nach Umweltinformationsgesetz die Übermittlung der FFH-Verträglichkeitsprüfungen zum Forstwirtschaftsplan, insbesondere was die beiden Maßnahmen im Wachauer und Plaußiger Wäldchen angeht, einfordern. Bei den unteren Naturschutzbehörden werden wir anfragen, ob eine Beteiligung in der Angelegenheit überhaupt erfolgte und (wenn ja) wie das Ergebnis hinsichtlich der Überprüfung der naturschutzrechtlichen Belange aussah. Wir sind sehr gespannt!

Johannes Hansmann, Michael Kleff

https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2022/08/neuer-forstwirtschaftsplan-mit-bauchschmerzen-son-gutes-papier-herr-kasek-465144

https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?1–anlagenHeaderPanel-attachmentsList-1-attachment-link&VOLFDNR=2002878

“MANAGEMENTPLAN für das FFH-Gebiet Landesmeldenummer 050 E ‘Leipziger Auensystem’ (4639-301) und das SPA V05 ‘Leipziger Auwald’ (4639-451)”, Bernburg, November 2012, S. 412, S. 496, S. 505

https://naturschutz-initiative.de/images/PDF2022/RechtswidrigeForstwirtschaft2022.pdf

https://www.nukla.de/2022/05/wegesicherung-und-rechtsauffassungen/

https://www.natura2000.sachsen.de/download/ffh/212_MaP_KF_T.pdf

https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/SaNDReportService/WfsReportBHG/76876

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