Video: Forstwirtschaft im Oberholz – Bäume fällen zur Klimastabilisierung?

Forstwirtschaft im Oberholz 2022. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag von Axel Schmoll

Das ca. 600 Hektar große Oberholz ist eines der wenigen Waldgebiete im Südraum Leipzigs und hat somit im Biotopverbund der Region eine sehr hohe Bedeutung. Der Wald ist Teil des europäischen Vogelschutzgebiets (SPA) „Laubwaldgebiete östlich Leipzig“. Zwei größere Bereiche des Oberholzes bilden das FFH-Gebiet „Oberholz und Störmthaler Wiesen“. Einer der flächenmäßig am bedeutsamsten Lebensraumtypen sind Waldbereiche, die dem Typ der Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder zuzuordnen sind.

Im Winter 2022/2023 wurde das Oberholz durch Sachsenforst intensiv durchforstet. Bereits im November 2022 bemerkten wir von NuKLA e.V. zahlreiche gefällte Starkeichen im FFH-Gebiet. Anfang Dezember stellten wir dann leider fest, dass noch weitaus invasiver und flächiger eingegriffen wurde, v.a. waren nun auch massiv sehr viele starke Rotbuchen gefällt worden und man hatte damit begonnen, das Holz mit einem großen Forwarder (schweres Gerät, mehrere Tonnen schwer) zu rücken. Wir beobachteten, dass mehrere Biotopbäume gefällt worden waren. Ende Dezember war dann auch das ganze Ausmaß der entstandenen Bodenschäden sichtbar. Zahlreiche Wege und Rückegassen waren von den schweren Geräten befahren und der Boden dort flächig verdichtet worden. In einem Waldbereich hat Sachsenforst derart in Birkenbestände eingegriffen,dass wir nur noch von einem „Birkenmassaker“ sprechen können.

In diesem Film werden die Schäden, die Sachsenforst in dem bedeutsamen wie sensiblen Waldökosystem angerichtet hat, dokumentiert und erläutert. Außerdem wird begründet, dass die Eingriffe gegen die rechtlichen Vorgaben der europäischen FFH-Richtlinie verstoßen haben.

Ein ausführlicher Artikel über die erfolgten Eingriffe findet sich hier:

https://www.nukla.de/2023/04/leider-wieder-neues-aus-dem-oberholz/

Nachtrag (Geschehnisse nach Fertigstellung des Films):

Tatsächlich hat NuKLA e.V. von Sachsenforst am 19. Juni 2023 noch einige schriftliche Informationen erhalten, die zunächst aus angeblich datenschutzrechtlichen und betrieblichen Gründen zurückgehalten worden waren.

In einer sogenannten „Gassenkarte“ wurden uns die vorhandenen und genutzten Rückegassen im betroffenen Oberholzbereich übermittelt. Die Karte veranschaulicht das sehr engmaschige Rückegassennetz im gesamten Oberholz und in gleicher Dichte auch im FFH-Gebiet. Die realen Abstände der Rückegassen zueinander im betroffenen FFH-Gebiet – dokumentiert im Film (min. 14:58 – 16:55)- scheinen uns jedoch noch kleiner zu sein als auf der Gassenkarte eingetragen. Während in der Gassenkarte der Abstand ca. 40 m beträgt, konnten wir 20 m und knapp darunter dokumentieren. Wir werden versuchen, diesem Sachverhalt noch weiter nachzugehen.

Außerdem wurde uns die sogenannte FFH-Vorprüfung übermittelt. Die textlichen Ausführungen in dieser „Vorprüfung“ verdeutlichen, dass fachliche und rechtliche Standards weitestgehend ignoriert wurden.

So schreibt z.B. das Bundesamt für Naturschutz zu den Anforderungen an eine solche Unterlage: „Für das Beurteilungsniveau in der Vorprüfung folgt daraus, dass anhand von relativ wenigen bzw. grundsätzlichen Informationen beurteilt werden können muss, ob erhebliche Beeinträchtigungen entweder möglich oder aber auszuschließen sind… In der Vorprüfung wird eine überschlägige Prognose im Sinne einer Abschätzung vorgenommen und geklärt, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebietes eintreten könnten. Ist hierbei festzustellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen offensichtlich auszuschließen sind, so ist im Weiteren eine FFH-VP nicht erforderlich. Regelmäßig kann eine solche Schlussfolgerung nur dann gezogen werden, wenn ein Projekt oder Plan in jeder „Wirkungs-“Beziehung offenkundig nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann.“ (Quelle: https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/planung/eingriffsregelung/Dokumente/endbericht_beeintraechtigung_ffh-vu_2004.pdf)

Wir haben vor Ort – und im Film – hinreichend dokumentiert, dass wesentliche Strukturelemente innerhalb des FFH-Lebensraumtyps Eichen-Hainbuchenwald entfernt wurden (zahlreiche ältere Eichen z.B.) und dass zahlreiche potenzielle Lebensstätten der Mopsfledermaus und weiterer bedrohter Arten durch die Fällungen alter Bäume (v.a. Eichen und Buchen) beseitigt wurden.

Gefällter Biotopbaum (hohl mit Mulm) im Oberholz 2022. Foto: J. Hansmann

Die Aussage in der Vorprüfung, die „Habitatstruktur bleibe erhalten“, ist schlichtweg unrichtig. Der starke Entzug an Biomasse und der Wegfall zahlreicher LRT-typischer Altbäume bleibt vollständig unbeachtet. Die Aussage von Sachsenforst, „der Vorrat an baumhöhlenreichen Altbeständen werde durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt“ – mit dem Hinweis auf einen Vorrat von 5 potenziellen Quartierbäumen pro ha – ist fachlich nicht haltbar. Die genaue Populationsstruktur ist in dem FFH-Gebiet gar nicht bekannt. Im Managementplan zum FFH-Gebiet aus dem Jahr 2011 wurden bereits diesbezügliche Defizite erkannt. Diese haben sich seitdem sicherlich nicht verbessert, denn Sachsenforst hat im letzten Winter nicht zum ersten Mal mit rabiaten Methoden den Wald „behandelt“. Wir haben vor Ort dokumentiert, dass mehrere Bäume mit für die Mopsfledermaus relevanten Spaltenstrukturen sowie Höhlenbäume entfernt wurden. Somit ist auch die Aussage in der Vorprüfung, „Bäume mit Baumhöhlen seien markiert und damit geschützt worden“, schlichtweg falsch. Gerade die Mopsfledermaus ist auch dafür bekannt, dass sie hinter abgeplatzter Rinde Quartier beziehen kann. Bäume mit solchen Habitatstrukturen wurden in Größenordnungen gerodet. Somit spricht insgesamt alles dafür, dass selbst eine vollständige FFH-Verträglichkeitsprüfung nach einschlägigen fachlichen Standards, die übrigens auch einer genauen Bestandskartierung bedürft hätte, zu einem negativen Ergebnis gekommen wäre (erhebliche Beeinträchtigungen). Das Fazit der Sachsenforst-Vorprüfung „Eine erhebliche Beeinträchtigung der lokalen Population ist somit ausgeschlossen“ wurde entgegen jeglicher Fachlichkeit getroffen und ist eigentlich ein Skandal!

Auch die Sachsenforst-Vorprüfung für das EU-Vogelschutzgebiet entbehrt jeglicher Fachlichkeit. Für eine adäquate Bewertung des Eingriffs wäre eine flächige Brutvogelkartierung erforderlich gewesen, die jedoch nicht durchgeführt wurde. Vieles spricht dafür, dass für Spechte relevante Altbäume gerodet wurden. So zeigt min. 28:45 des Films (Verladen einer sehr dicken Buche mittels Forwarder auf einen Buchenholzstapel am Wegesrand), dass vermutlich eine Schwarzspechthöhle zerstört wurde.

Unser Fazit lautet: Wir brauchen eine Waldwende! Wir müssen unsere Waldökosystem in den Zeiten von Biodiversitäts-, Klima-, Wasser- und Bodenkrise erhalten, sonst verlieren wir letztendlich alles. Das Potenzial ist noch vorhanden! Nutzen wir es! Auch im Oberholz!

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